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Auge des Mondes

Titel: Auge des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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das neu erlangte Leben schmecken konnte!
    »Ich werde tun, was du verlangst.« Die Worte gingen ihm mühsam über die Lippen.
    »So gefällst du mir! Die weiteren Anweisungen wirst du rechtzeitig erhalten. Und hüte deine Zunge, Huy! Wer zu viel redet, fordert unnötigerweise das Schicksal heraus.«
    Mit diesen mahnenden Worten war der andere im Schutz der Nacht verschwunden.

    Zuerst tat es Mina leid, dass Ameni nicht zu Hause war, denn sie hätte ihn gerne mit Numi bekannt gemacht, um nicht wieder in eine so peinliche Situation wie neulich zu geraten. Dann jedoch kam ihr anderes in den Sinn. Zu feurig waren Numis Blicke, zu süß seine Küsse, die mehr verhießen für diese Nacht.
    »Ich werde heute bei dir bleiben«, hatte er ihr schon bei der Begrüßung ins Ohr geflüstert. »Bis zum Morgengrauen, vorausgesetzt natürlich, es ist auch in deinem Sinn. Und ich habe zwei wundervolle Überraschungen für dich.«
    Er zog ein Schmuckstück aus einem ledernen Beutel, einen schimmernden hellen Tropfen, der an einer langen Kette baumelte, und legte es ihr um den Hals.
    »Eine Perle, die an meiner Stelle deine Brüste küssen soll«, sagte Numi. »Tapfere Taucher finden sie in der Tiefe der Meere, wo sie über Jahre hinweg in einer Muschel heranreift. Sie öffnen die Schalen, lösen das Kleinod heraus. Ich hab es von einem Händler aus dem fernen Indien erwerben können und es auf der Stelle in Sicherheit gebracht. Glücklicherweise noch bevor Aryandes seine gierigen Blicke darauf heften konnte.« Er strahlte sie an. »Jetzt kannst du stets an mich denken, auch wenn ich nicht bei dir sein kann.«
    Wie eine Träne, schoss es Mina unwillkürlich durch den Sinn, während sie die kühle Glätte der Perle auf der Haut spürte. Die Träne der Muschel, die sterben musste, um sie zu gebären.
    »Meinst du, dazu brauche ich ein Schmuckstück?«, erwiderte sie.
    Numi lachte, zog sie zu sich heran und verschloss ihren Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss. Er war ungewöhnlich aufgekratzt, redete unablässig und wollte keine Ruhe geben, bis sie sich wie ein folgsames Kind auf seinen Schoß gesetzt hatte.
    »Heute bin ausnahmsweise einmal ich mit dem Erzählen dran«, sagte er, während Mina unruhig hin und her rutschte, weil sie keine bequeme Position auf seinen harten Schenkeln finden konnte, bis er sich endlich doch davon überzeugen ließ, dass sie lieber neben ihm sitzen wollte. »Mein versprochener Kommentar zu deinem Märchen, du erinnerst dich? Ich hab eine schöne Geschichte aus meiner Heimat für dich, die dir hoffentlich gefallen wird.«
    Sie war ganz und gar nicht in der rechten Stimmung, gerade heute nicht, wo ihr Kopf und ihr Herz so voll mit den Erinnerungen an Chai waren, aber sie nickte trotzdem. Numi hatte sich offenbar gründlich vorbereitet, und ihm lag ausnehmend viel an seiner Geschichte, das sah sie an dem Leuchten in seinen Augen und daran, dass er Isets Köstlichkeiten ignorierte, die sie fürsorglich neben dem Bett bereitgestellt hatte. Viel lieber hätte Mina sich an ihn geschmiegt, ihm von Chai erzählt und ihn endlich nach Newa ausgefragt, aber die heutige Nacht schien nicht die richtige dafür zu sein.
    Mina tauschte einen kurzen Blick mit Bastet, die nur widerwillig ihren Stammplatz auf dem Bett verlassen hatte und nun neben der halb geöffneten Türe hockte, die in den Garten führte. Allzu viel schien die Katze von Numis Gegenwart nicht zu halten. Ihre Ohren waren leicht nach hinten gelegt; die ganze Haltung wirkte wachsam. Ob sie eifersüchtig war, nachdem in den vorangegangenen Nächten Minas ganze Aufmerksamkeit stets nur ihr gegolten hatte?
    Auf jeden Fall ist sie auf dem Sprung, dachte Mina. Das ist unübersehbar. Die Geschöpfe der Göttin, jene wunderbaren Wesen von Licht und Dunkelheit, lassen sich auf Dauer nicht einsperren, sondern gehen stets ihre eigenen Wege. Ob sie mich schon bald wieder verlassen wird, trotz der Gefahren, die draußen auf sie lauern?
    » Ein Schneider hatte drei Töchter «, begann Numi.
    » Eines Tages kam der Sohn des Vorstehers der Kaufleute in seinen Laden und sagte zu ihm: ›Ich wünsche mir, dass du mir ein Gewand fertigst, das aus Rosen gemacht ist. ‹«
    Mina liebte diese tiefe, klare Stimme und merkte schon nach den ersten Sätzen dank der Erfahrung der geübten Erzählerin, dass auch Numi wusste, wie man ein Publikum führt. Warum fiel es ihr heute dennoch so schwer, sich auf den Geliebten zu konzentrieren? Sie unterdrückte ein Seufzen und gab sich alle

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