Auge des Mondes
weißen Katze. Woher soll mein armer alter Vater nun plötzlich eine tote weiße Katze herbeizaubern? Ich habe Aberhunderte von Katzen hier in Per-Bastet gesehen, aber noch keine einzige weiße!«
Unwillkürlich war Ameni ein Stück von ihr abgerückt.
»Es gibt welche, aber sie sind mehr als selten. Ich kenne eine«, sagte er. »Sie gehört Senmut, dem Ersten Sehenden. Als ich noch kleiner war, hat mein Onkel mich manchmal in die Schreiberstuben mitgenommen. Wenn es mir zu langweilig wurde, hab ich die Katzen kreuz und quer durch die Tempelhöfe gejagt. Die weiße war taub geboren, da hatte sie es schwerer als die anderen, mir zu entkommen. Aber ob sie heute noch lebt, kann ich nicht sagen.«
Erst jetzt schien ihm richtig zu Bewusstsein gekommen zu sein, was Asha soeben gesagt hatte.
»Wer hier in Per-Bastet eine Katze tötet, der riskiert sein Leben«, sagte er. »Das sollte dein Vater dem Satrapen als Erstes klarmachen. Die Tiere der Großen Göttin sind uns heilig. Niemand darf sie quälen oder gar …«
Ashas Finger legte sich zart auf seine Lippen.
»Was mich betrifft, so hab ich jetzt mehr als genug über Katzen gehört«, flüsterte sie. »Oder willst du vielleicht die ganze Nacht weiter über sie reden?«
Ameni lachte, küsste sie. Spürte ihren weichen Busen, die schlanken Hüften, die sich ihm entgegendrängten.
»Ich liebe dich«, sagte er und genoss, wie ihre Erregung langsam wuchs. »Du bist mein Leben, Asha!«
»Du bist mein Leben, Ameni«, wiederholte sie sehr ernst.
»Es gibt nur eine einzige Sache, die mich an dir stört«, fuhr er fort und schaffte es gerade noch, ein übermütiges Lachen zu unterdrücken. »Eine nicht unwichtige Kleinigkeit.«
»Was ist das?« Erschrocken schaute sie ihn an. »Sag es mir! Vielleicht kann ich es ja ändern.«
»Dein Kleid«, murmelte Ameni. »Wir müssen es endlich loswerden!«
Doch sie sträubte sich, wenigstens zum Schein, denn sie lachte und giggelte dabei, begann zu zappeln, rappelte sich schließlich halb auf und tat, als wolle sie fester nach ihm stoßen. Dabei glitt ihr Fuß aus und traf statt Ameni eine schwere, ölgefüllte Lampe. Krachend zerbarst sie auf dem Boden.
Die beiden blieben zunächst wie erstarrt, dann begannen sie im gleichen Augenblick wie übermütige Kinder laut loszuprusten.
»Was war das?« Numi fuhr erschrocken in die Höhe.
»Es klang wie ein Knall. Etwas zerbrach. Und dann Gelächter.«
»Vermutlich mein Neffe.« Mina stieg aus dem Bett und warf sich das Kleid über. »Oder aber Iset. Ich werde auf alle Fälle mal nachsehen.«
Vor dem Zimmer der Alten war es still, und Mina atmete erleichtert aus. Im letzten Sommer war Iset ein paarmal ganz plötzlich ohnmächtig geworden, als sei die drückende Schwüle zu viel für sie gewesen. Glücklicherweise schienen sich diese Schwächeanfälle nicht mehr zu wiederholen.
Also kam nur noch Ameni in Frage. Welchen Unsinn er wohl schon wieder angestellt haben mochte?
Mina klopfte mehrmals, schließlich, so fest sie konnte. Als noch immer keine Antwort kam, stieß sie die Türe auf und leuchtete in das Zimmer.
Das Mädchen fuhr hoch und starrte sie stumm an, mit riesengroßen, weit aufgerissenen Augen, dunkelblau wie der Nachthimmel über der Wüste. Sie war nackt, presste jedoch das Gewand an sich, um ihre Blöße zu bedecken.
Ameni versuchte vergeblich, noch rechtzeitig unter die Decke zu kommen, was misslang. Auch er war splitternackt.
»Mina?«, sagte Asha leise. »Mina, wir wollten doch nur …«
» Du bist Asha?«, war alles, was Mina schließlich hervorbrachte. »Numis Tochter?«
Ameni und das Mädchen nickten einträchtig.
»Dann liegt dein Vater dort drüben in meinem Bett«, sagte Mina. »Und du solltest zusehen, dass du augenblicklich nach Hause kommst - und zwar leiser und schneller als ein Mäuschen. Kümmere dich um deine Liebste, Ameni! Wir sprechen uns später.«
Mina zitterte, als sie wieder draußen stand. Was sollte sie Numi sagen?
Sie, die sonst niemals um Geschichten verlegen war, rang vergeblich nach Worten. Belügen wollte sie ihn nicht, doch ihm jetzt die Wahrheit zu offenbaren war ein Ding der Unmöglichkeit, erst recht nach allem, was er ihr heute Nacht anvertraut hatte. Schließlich straffte sie sich und versuchte, eine gelassene Miene aufzusetzen.
»Was ist passiert?« Inzwischen hellwach geworden, musterte Numi sie beim Eintreten.
»Mein Neffe«, sagte sie so leichthin wie möglich, während hinter ihrer Stirn ein Sturm verschiedenster
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