Auge des Mondes
Neue zu beanspruchen, später schien ihr selbst das nicht genug. Sie stupste Mina so lange mit dem Kopf an, bis diese sich seufzend auf den Rücken drehte. Nach einer Weile bestieg sie Minas Bauch und begann schnurrend zu treteln wie ein Junges, das bei seiner Mutter säugen will.
Schließlich verließ sie das Bett abrupt. Klopfende, hässliche Geräusche. Bastets kleiner Körper wurde von heftigem Würgen geschüttelt, dann erbrach sie sich, dreimal hintereinander, genau neben Minas Bett.
»Am liebsten würde ich auch alles herauswürgen«, murmelte Mina, während sie mit einem Lappen das Erbrochene wegwischte. »All die hässlichen Worte, all die schrecklichen Gedanken, vor allem all die Angst, die einem schier die Kehle zuschnürt. Ich kann dich gut verstehen, meine kleine Mondkatze! Mir ist mindestens so elend zumute wie dir.«
Bastet fing an, sich ausgiebig zu putzen, wirkte wieder gesund und munter und begann bereits interessiert Isets verschmähte Köstlichkeiten zu beschnuppern, während Mina sich nur noch zerschlagen und ausgelaugt fühlte.
Als der Morgen endlich dämmerte, stand sie auf, nahm ein kühles Bad im Teich und wankte danach in den Küchenhof.
Iset warf nur einen kurzen Blick auf sie.
»Dein Katzentier hat sich bereits davongemacht«, sagte sie, während sie eine frische Ladung Brote aus dem Ofen holte. »Nach einem ordentlichen Frühstück, versteht sich. Wusstest du, wie begeistert sie Sahne schleckt? Dann weißt du es jetzt.«
Keine Antwort. Sie schien auch keine zu erwarten, sondern plapperte munter weiter.
»Ameni ist auch schon unterwegs. Hat sich fein gemacht und irgendetwas davon gemurmelt, er wolle zu seinen Eltern. Endlich Frieden schließen. Hast du eine Ahnung, was das bedeuten soll? Egal - solange die beiden nur uns hier in Frieden lassen, soll es mir recht sein!«
Iset begann den Tisch zu decken, brachte Schüsseln und Becher. Mina schüttelte matt den Kopf, als sie auch noch ihre Kuchen auftragen wollte. Allein der Geruch von Süßem und Fettigem war heute zu viel für ihren empfindlichen Magen.
»Was war eigentlich los, heute Nacht?«, wollte Iset wissen, die allerbester Laune zu sein schien. »Ich hab die Türen so oft gehen hören, als seien wir eine Art gut besuchte Herberge. Und irgendwann gab es einen lauten Knall, aber ich war schon zu müde, um noch einmal aufzustehen.«
Mina wollte schon zu einer Ausrede ansetzen, dann jedoch entschied sie sich anders. Sie musste mit jemandem reden , auf der Stelle mit jemandem reden - selbst wenn sie ihren Mitteilungsdrang später einmal von Iset um die Ohren gehauen bekommen würde.
»Ich hab deinen neuen Liebling mit seiner Liebsten ertappt«, sagte sie. »Im Bett. Und offenbar ganz bei der Sache.«
»Hier? Bei uns? Heute Nacht? Der Junge traut sich vielleicht was!« Iset schien eher beeindruckt als empört.
»Zumal seine Asha Numis Tochter ist, wie sich inzwischen herausgestellt hat, und der keine Ahnung hatte, was gerade im Nebenzimmer vor sich ging. Blut und Wasser hab ich geschwitzt, das kann ich dir sagen, als ich die beiden überrascht habe. Ich glaube, Numi hätte Ameni auf der Stelle erwürgt, hätte er anstatt mir das Zimmer betreten.«
»Dein Numi scheint ein besonders eifersüchtiger Vater zu sein«, sagte Iset und reichte Mina einen Becher Tee.
»Könnte das möglich sein?«
»Er hat zwei Töchter verloren«, erwiderte Mina. »Neu geborene Zwillinge. Asha ist die Einzige, die ihm geblieben ist. Vielleicht erklärt das einiges.«
»Und diese Newa, von der du mir erzählt hast? Was ist mit der, weißt du das endlich? Lebt sie in Persien, wie du vermutet hast?«
»Nur noch in seinem Herzen«, sagte Mina. »Newa ist tot. Schon seit vielen Jahren.«
»Dann steht eurem Glück ja nichts mehr im Weg. Ein ausnehmend schönes Schmuckstück hat er dir da geschenkt. Das heißt, er hat Geschmack und ist kein Geizhals. Was willst du mehr?« Natürlich war die Perle Isets neugierigem Blick nicht entgangen. Mina hatte es nicht fertiggebracht, sie abzunehmen. »Weshalb siehst du dann so griesgrämig und verknittert in die Welt wie ein Sack alter Wäsche?«
Eine neue Ladung Brote wurde schwungvoll in den Ofen geschoben.
»Ach, natürlich, jetzt verstehe ich.« Stöhnend richtete Iset sich wieder auf. »Wenn Asha Numis Tochter ist, dann ist Numi ja dieser Todfeind deines Schwagers, der ihn ruiniert haben soll. Da hast du dir etwas Hübsches eingebrockt, Mina! Deine liebreizenden Verwandten werden dich wohl kaum zu deiner
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