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Auge des Mondes

Titel: Auge des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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nichtsnutziger Verführer, ein frecher Dieb, der ihm sein Allerliebstes stehlen will.«
    Er setzte sich neben sie, berührte sanft ihren Arm. »Weshalb ausgerechnet er, Mina? Von all den Männern?«
    »Weshalb ausgerechnet Asha, von all den jungen Frauen?«
    Sie mussten beide lachen, als sie sich ansahen, und die Bedrücktheit, die eben noch düster im Raum gehangen hatte, war mit einem Mal verflogen.
    »Hast du es ihm gesagt?« Jetzt klang Ameni wieder wie ein aufgeregter Junge. »Ich meine, dass du Asha und mich …«
    »Natürlich nicht! Aber ich hab es nicht gern verheimlicht, denn ich hasse es, Numi zu hintergehen.«
    »So ernst ist es dir, Mina?«
    »So ernst. Und hätten wir uns nicht wegen dieses gotteslästerlichen Befehls des Satrapen gestritten, der von Numi ein weißes Katzenfell gefordert hat, so …«
    »Du weißt auch davon?«, unterbrach Ameni sie.
    »Numi hat es mir erzählt. Und woher weißt du es? Von Asha?«
    »Wir haben nur ganz kurz darüber geredet.« Er erhob sich, schien es plötzlich eilig zu haben. »Wie soll es denn nun weitergehen mit unseren komplizierten Liebesgeschichten, Mina? Ich sterbe, wenn ich ohne Asha leben muss.«
    »Das weiß ich nicht - noch nicht. Aber wir werden ehrlich sein müssen, jeder von uns, denn nur mit der Wahrheit kommt man ans Ziel.« Sie lächelte. »Und mit dem Sterben geht das nicht so schnell, das wirst du auch noch lernen. Versprich mir aber, dass du nicht wieder etwas Unüberlegtes anstellst!«
    Er nickte allzu bereitwillig.
    »Und jetzt lass mich noch ein bisschen in Ruhe weiterstöbern, bevor ich mich auf den Weg zum Markt mache!«
    Mina atmete auf, als sie wieder allein war, und musterte erneut die Papyrusrollen. Sie hatte angefangen, die älteren Schriftstücke nach links zu legen, während die neueren nach rechts kamen. Es war nicht weiter schwierig für sie, diese Unterscheidung zu treffen, denn Chais Schrift hatte sich im Lauf der Jahre verändert, war immer noch feiner, noch eleganter geworden, Zeugnis eines erfahrenen Künstlers, der gelernt hatte, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und alles Überflüssige wegzulassen.
    »Schreiben ist für mich wie Atmen« - auf einmal glaubte sie, wieder seine warme, freundliche Stimme zu hören. Sie bekam am ganzen Körper Gänsehaut. »Wenn meine Hand die Binse führt, vergesse ich alles um mich herum.«
    Mina zerschnitt das Band, das zwei dünne Rollen verbunden hatte, und öffnete die erste davon. Sie stutzte. War das wirklich Chais Schrift?
    Die Rolle war in Zeilen beschrieben, nicht in Kolumnen, aber die Zeichen waren flüchtig gesetzt, manchmal sogar unvollständig, sodass man sich den fehlenden Rest dazudenken musste. Dennoch blieb Minas Blick an ihnen hängen. Sie schluckte, als sie den ersten Absatz gelesen hatte. Begann das Folgende in fiebriger Eile zu überfliegen.
    Mit zitternden Händen öffnete sie die zweite Rolle.
    Wieder fahrige, fliegende Zeichen, offenbar hingeworfen unter größter Zeitnot. Oder in höchster Bedrängnis? Irgendwann brachen sie unvermittelt ab.
    Der Inhalt traf Mina wie ein gut geschärftes Beil. Sie ließ den Papyrus fallen, als hätte sie sich an ihm verbrannt, trat unwillkürlich sogar mit dem Fuß nach ihm, um ihn so weit wie möglich wegzustoßen. Ihr Puls raste, ihr Herz schlug wie wahnsinnig.
    Der junge Polizist Rechmire kam ihr als Erstes in den Sinn. Sollte sie mit ihm sprechen? Dann jedoch dachte sie an Senmut. Sofort hatte sie wieder den süßlichen Geruch in der Nase, der sie so irritiert hatte.
    Man nehme genügend Baldrian, um sie willig und gefügig zu machen, denn diesem Geruch vermögen sie nicht zu widerstehen …
    Sie war gleich misstrauisch gewesen, an jenem glutheißen Tag im Tempel. Gebe die Große Göttin, dass ihre furchtbare Ahnung sich nun nicht aufs Schrecklichste bewahrheitete! Aber wenn Senmut wirklich tief mit drin steckte, dann würde sie es eben jetzt herausfinden.
    Mina packte die beiden Papyri, die ihr den Tag und die Träume verdorben hatten, und rollte sie zusammen. Sie wusste jetzt, was sie zu tun hatte. Aber das machte ihre Angst nicht kleiner.

    Er hatte ihn lediglich empfangen, weil Chai sein Bruder gewesen war. Das ließ der Erste Sehende Rahotep deutlich spüren, als der magere Priesterschüler den Händler schließlich zu ihm gebracht hatte. Senmuts Stimme war scheinbar freundlich, doch die Sätze, die aus seinem Mund kamen, schienen Rahotep gespickt mit winzigen Boshaftigkeiten.
    »Du verirrst dich nicht allzu oft in den

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