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Auge des Mondes

Titel: Auge des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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mehr beruhigen.
    »Etwas Ernsthaftes?«
    »Wir fürchten, ja.« Die beiden Polizisten brüllten auf wie brünstige Flusspferde. »Wie es einem braven Kerl eben so zustoßen kann.«
    »Sag du es ihr!«, forderte der Dicke schließlich den Dürren auf und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn.
    »Wir wollen sie nicht länger auf die Folter spannen.«
    »Geheiratet hat er.« Der Dürre lachte schon wieder.
    »Erst gestern. Und nicht ganz freiwillig, wenn du verstehst, was ich meine. Es kann also noch dauern, bis wir ihn wiedersehen. Und wer kann schon sagen, in welchem Zustand er dann sein wird.« Er strengte sich an, endlich wieder ernst zu werden. »Können wir dir einstweilen behilflich sein?«
    »Der Tote im Kornspeicher«, sagte Mina. »Gibt es Neuigkeiten? Habt ihr etwas herausgebracht?«
    »Was sollen diese Fragen?« Der Dürre musterte sie misstrauisch. »Hast du vielleicht etwas damit zu tun?«
    »Natürlich nicht. Ich war lediglich dabei, als man ihn weggetragen hat.«
    »Keine Neuigkeiten«, sagte sein Kollege. »Und selbst wenn es welche gäbe, dann ginge es dich nichts an. Polizeigeheimnis - du verstehst? Sonst noch etwas?«
    Minas Blick wanderte über die rot angelaufenen Gesichter, und sie schüttelte den Kopf. Dabei drückte sie unwillkürlich die Papyri fester an sich. Diesen Holzköpfen würde sie niemals ihre Entdeckung anvertrauen.
    »Sollen wir Rechmire etwas ausrichten?«
    »Bemüht euch nicht!« Sie trat den Rückzug an, froh, dass sie ihnen endlich entkommen konnte. »Ich mach mich lieber wieder auf den Weg.«
    Draußen im gleißenden Sonnenlicht kehrten die alten Zweifel zurück. Dabei hielt sie doch die Beweise in Händen, Beweise, so furchtbar, dass jeder auch nur halbwegs vernünftige Mensch sich weigern musste, an sie zu glauben. Wenn sie diese Schriftstücke nun zu Senmut brachte, setzte sie sich dabei nicht selber größter Gefahr aus?
    Chai hätte gewusst, was jetzt zu tun war. War er kurz vor seinem Tod hinter eine Verschwörung gekommen? Hatte er deshalb diese verräterischen Papyri unter der schier unübersehbaren Menge seiner Schriftrollen versteckt?
    Sie konnte ihn nicht mehr fragen, sie musste die nächsten Schritte allein entscheiden. Langsam ging sie weiter auf der gepflasterten, schattenlosen Prozessionsstraße, und als vor ihr die hohen Tempelmauern aufragten, wurde ihr immer unbehaglicher zumute.
    Auf ihr Klopfen öffnete der magere Priesterschüler, den sie bereits kannte.
    »Du schon wieder!« Sein Tonfall war barsch. »Erwartet dich Senmut? Ich jedenfalls weiß nichts davon.«
    »Er wird mich empfangen«, erwiderte Mina kühl. »Er könnte es dir sogar sehr übel nehmen, solltest du mir den Zutritt verweigern.«
    Ihr wenn auch nur gespieltes Selbstbewusstsein schien ihn zu überzeugen. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis er zurückkam und sie in den nächsten Hof führte - ausgerechnet den, der von den Tempelkatzen bevölkert war.
    Umringt von ihnen hockte Senmut unter einem Baum. Er erschien Mina niedergeschlagen, weniger glatt und makellos als sonst, aber sie hätte nicht genau sagen können, woher dieser Eindruck kam.
    »Es sei sehr wichtig, hast du gesagt«, begann er ohne Vorrede. »Wieso also bist du hier?«
    Inmitten all der geschmeidigen Geschöpfe der Bastet, die schliefen, sich putzten oder faul im Schatten dösten, erschien Mina ihre Entdeckung noch ungeheuerlicher. Ihre Augen suchten nach einem Halt, nach irgendetwas, das den brennenden Druck auf ihrer Brust mildern würde, und plötzlich glaubte sie, es auch gefunden zu haben.
    Die Weiße, dort hinten, halb verdeckt von einer dunkel gestromten Katze! Ihr Anblick hatte etwas Erlösendes für Mina. Sie wollte schon losreden, da merkte sie, dass sie sich getäuscht hatte. Die Katze, die sie gesehen hatte, war falb, sehr hell, aber nicht weiß. Noch unruhiger geworden, blickte Mina sich nach allen Seiten um. Doch die Weiße war nirgendwo zu entdecken. Jetzt gab es kein Halten mehr für sie.
    »Wo ist die Weiße?«, fragte sie statt einer Begrüßung.
    »Verschwunden«, erwiderte Senmut dumpf. »Jemand hat vergessen, das Tor zu schließen. Dabei muss sie entwischt sein.«
    »Jetzt hast du Angst, sie niemals wiederzusehen, nicht wahr?«, sagte Mina. »Und ich kann dir versichern, deine Angst ist sehr begründet - in mehr als einer Hinsicht.«
    »Was weißt du?« Senmut war aufgesprungen, stand ganz nah vor ihr. Mina wich zurück. Der süßliche Geruch, der von ihm ausströmte, war unerträglich. Es war

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