Auge des Mondes
auf und ab. »Wir haben uns doch mit eigenen Augen davon überzeugt, dass …«
»Die Kanzlei des Satrapen ist zu einer gegenteiligen Ansicht gelangt«, sagte Senmut. »Die Überprüfungen haben gerade erst begonnen, aber ihr könnt ganz sicher sein, dass sie keinen Stein auf dem anderen lassen werden, bis sie den stinkenden Abfluss entdeckt haben, in den all das Silber und Gold versickert ist.«
»Du hast Aryandes eingeschaltet?«, brach nun auch Menna sein Schweigen. »Ihn, den gottlosen Fremden?«
»Blieb mir denn eine Wahl? Pharao Darius, der Oberste Tempelherr, weilt im fernen Susa und ist unerreichbar für unsere Belange. Da lag es nahe, die prekäre Angelegenheit seinem Stellvertreter zu übergeben. Ich bin sicher, die vollkommene Aufklärung wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Vielleicht haben wir sogar noch vor dem Großen Fest Ergebnisse.«
Er räusperte sich.
»Ihr könnt euch ausmalen, was das für Konsequenzen nach sich ziehen wird. Die Schreiber müssen entlassen und durch neue ersetzt werden - und womöglich nicht nur sie. Auch jeden einzelnen Priester und sein Verhalten wird man im Detail überprüfen.«
Die beiden Sehenden tauschten hastige Blicke. Senmut beobachtete sie scheinbar gelassen.
»Falls euch doch noch etwas dazu einfallen sollte«, sagte er, »dann wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, damit herauszurücken.«
»Willst du damit andeuten, wir hätten etwas damit zu tun?« Mennas Gesicht war rot angelaufen.
»Nun, es könnte doch sein, dass ihr ganz zufällig etwas beobachtet habt, jemanden vielleicht, der sich verdächtig gemacht hat - nein?« Senmut wandte sich halb ab. »Mich plagen noch ganz andere Sorgen«, sagte er. »Die Weiße ist verschwunden.«
Jetzt rötete sich auch Chonsus Gesicht.
»Es gibt schreckliche Gerüchte, dass kein anderer als Aryandes auf der Suche nach einem weißen Katzenfell sei«, fuhr Senmut fort. »Angeblich hat er bereits persische Händler darauf angesetzt. Wenn das wahr wäre …« Seine Stimme erstarb.
»Und diesem Ungeheuer in Menschengestalt hast du Einblick in unsere innersten Angelegenheiten gestattet?« Menna schien einem Tobsuchtsanfall nahe.
»Ein Priester Bastets muss in der Lage sein, seine Gefühle zu beherrschen, das wisst ihr doch ebenso gut wie ich. Was spielt in unserem Amt Persönliches schon für eine Rolle? Ihr dienen wir. Ihr ganz allein.«
Er ließ die beiden stehen, ging durch die Säulenhalle geradewegs auf die geheime Türe zu, wo er im Allerheiligsten verschwand.
»Was sollen wir jetzt tun?«, flüsterte Chonsu.
»Er blufft«, sagte Menna. »Ich wette, das war nichts als heiße Luft.«
»Er blufft nicht - er ist zu allem entschlossen, da bin ich ganz sicher. Wir sind in höchster Gefahr. Und die großen Ziele, die wir uns gesteckt haben, nicht minder.«
»Dann werden wir ihm den Wind aus den Segeln nehmen.« Mennas Lächeln war dünn und hässlich. »Persönliches spielt keine Rolle, hat er gesagt? Senmut soll unter Beweis stellen, dass das auch für ihn gilt!« Er fasste Chonsu scharf ins Auge. »Wir haben sie doch, oder? Sie ist doch noch bei den anderen?«
»Ein Versehen, das niemals hätte passieren dürfen. Sie sollte heute freigelassen …«
»Das wirst du schön bleiben lassen! Der Plan hat sich geändert. Aryandes wird erhalten, wonach es ihn so sehr verlangt. Leitest du alles dazu Nötige sofort in die Wege?«
»Ist das wirklich gut überlegt? Denn wenn er zu Aryandes geht und ihm sagt, dass wir …« Chonsu rang nach Worten.
»Soll er doch!«, sagte Menna. »Der wird ihm niemals glauben!«
»Und wenn doch?«, erwiderte Chonsu. »Es geht schließlich um unser Leben!«
»Das ohne ihn bald sehr viel angenehmer sein wird, darauf kannst du dich verlassen! Kann sein, dass Senmut manches ahnt, aber wissen tut er nichts. Nichts hat er in der Hand. Gar nichts! Bis sich die Nebel vor seinen Augen lichten, lodern bereits unsere Feuer, und die Sicht wird erneut sehr schlecht sein bei all dem Qualm, den sie verbreiten.« Mennas Gesicht verzog sich spöttisch. »Du kommst zu spät, Angeber«, flüsterte er, »du, der allein den Willen der Einzigen zu kennen glaubt. Doch den großen Brand, der alles reinigt und verwandelt, wirst auch du nicht mehr aufhalten können!«
Was hatten seine Hände getan?
Sie schien genau gewusst zu haben, was sie erwartete, fixierte Huy mit ihren wachsamen, goldenen Augen und wich in die äußerste Käfigecke zurück.
Es war etwas ganz anderes, die Katzen im Schutz der Nacht
Weitere Kostenlose Bücher