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Auge des Mondes

Titel: Auge des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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zu jagen und in großer Menge zusammenzupferchen, als einer einzelnen im hellen Tageslicht gegenüberzustehen - in böser Absicht.
    Ihre Schönheit traf ihn wie ein Schlag, selbst in diesem verkommenen Käfig, der nach Angst und Fäkalien stank. Und auf einmal schoss ihm alles, was seine Mutter jemals über die Große Göttin erzählt hatte, wieder durch den Kopf.
    »Sie gibt alles Leben so wie Re - sie kann alles Leben nehmen« - das hatte sie Abend für Abend in sein Ohr geflüstert, bevor er als kleiner Junge eingeschlafen war.
    Die Göttin sah ihn, schaute ihm zu, bei allem, was er tat, dessen war Huy sich auf einmal bewusst, selbst wenn es ihm bis jetzt gelungen war, diese Gedanken wegzuschieben. Jetzt aber saß ihm dieses Bewusstsein im Nacken, drückte ihn schwerer als ein Joch, und er wusste, er würde es nie mehr verdrängen können.
    Und dennoch blieb ihm nichts anderes übrig, als abermals zu gehorchen, auch jetzt, in diesem schrecklichen Augenblick, da alles in ihm sich dagegen sträubte. Denn würde er sich dem Befehl entziehen, so müsste er wohl oder übel den Mann töten, der ein Stück entfernt wartete.
    Sie machte einen dicken Buckel, Rücken- und Schwanzhaare gesträubt, und fauchte und spuckte wie wild, als er nach ihr griff.
    Dann ging alles ganz schnell. Er hielt sie im Nacken fest, während sie sich wand und drehte. Kurz entkam sie ihm, fuhr die Krallen aus und versetzte ihm eine blutige Wunde in den Arm, länger und tiefer noch, als es die erste gewesen war. Dann packte er fester zu, noch fester.
    Ein Knacken. Ihr Kopf hing leblos zur Seite. Die Augen erinnerten an gebrochenes Glas.
    Was hatten seine Hände getan?
    »Bist du endlich so weit?« Der Mann stand jetzt neben ihm.
    Schmerzgepeinigt, weil die Wunde sofort zu brennen begonnen hatte, reichte Huy ihm die Katze. Der Gerber nahm sie in Empfang. Einer aus dem Armenviertel. Einer, der von Kopf bis Fuß nach Alaun und Urin stank und keine dummen Fragen stellen würde, vorausgesetzt, die Deben, die er erhielt, waren reichlich genug.
    »Wird ein ordentliches Stück Arbeit«, sagte er. »Da will ich besser keine unnötige Zeit verlieren.« Er öffnete den Sack und warf sie hinein.
    Was hatten seine Hände getan?
    Huy sank in sich zusammen und begann haltlos zu weinen.

    Numis Perle brannte zwischen ihren Brüsten, als sie Scheris Haus erreicht hatte. Satra und Tia, die auf der Straße spielten, rannten ihr sofort entgegen.
    »Wollen wir wieder Schreiben spielen?«, rief die eine.
    »Bitte sag ja!«
    »Wir haben schon fleißig alleine geübt«, sagte die andere. »Das Wort Haus geht inzwischen wie von selbst.«
    Mina legte die Hände auf ihre warmen, runden Köpfe. »Schon sehr bald werden wir das gemeinsam tun«, sagte sie. »Das verspreche ich euch im Namen Bastets. Heute aber muss ich erst einmal allein mit eurer Mutter reden.«
    Scheri reichte ihr sofort einen Becher Wasser. »Du siehst aus, als könntest du das dringend brauchen«, sagte sie. »Was ist geschehen, Mina?«
    »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll - doch zu allererst muss ich mich bei dir entschuldigen.« Sie trank den Becher leer, stellte ihn beiseite und umarmte die Freundin. »Du hattest recht mit allem, was du gesagt hast. Es gibt diese Männer, es gibt ihre Käfige und es gibt hinter allem einen Plan von so unbeschreiblicher Widerlichkeit, dass jeder halbwegs Vernünftige sich nur weigern kann, ihn für möglich zu halten.«
    Sie ließ sich auf einen Schemel fallen und begann zu erzählen. Scheri hörte schweigend zu. Als Mina von Numi und ihrem Streit erzählte, glitt ihr Blick zu der Perle; als Chais geheime Schriften zur Sprache kamen, weiteten ihre runden Augen sich vor Entsetzen.
    »Mit Bata hat er niemals darüber gesprochen.« Ihre Stimme war klein und dünn. »Da bin ich mir ganz sicher. Bata hätte niemals so lange seinen Mund halten können!«
    »Das meine ich auch«, sagte Mina. »Wo Chai nicht einmal mir ein Wort darüber gesagt hat! Offenbar wurde damals nichts aus dem furchtbaren Plan. Weshalb, wissen wir nicht.«
    »Moment mal!«, sagte Scheri. »Jetzt fällt mir etwas ein. Chai ist gestorben, noch bevor ich wusste, dass ich schwanger bin - das ist doch richtig, oder?«
    »Es ist jetzt beinahe sieben Jahre her«, bekräftigte Mina.
    »Damals gab es einen Wechsel im Tempel. Der Dritte Sehende wurde tot am Nil aufgefunden. Kurz danach kam der Zweite Sehende bei einem Unfall ums Leben. Neue Männer traten an ihre Stelle - Menna und Chonsu. Ob das etwas mit

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