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Auge des Mondes

Titel: Auge des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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kalt. Nie zuvor hatte sie Senmut so gesehen. Schatten lagen unter seinen Augen, seine Haut war fahl. Er wirkte, als sei etwas in ihm zerbrochen, und erinnerte Mina gleichzeitig an eine zu straff gespannte Sehne, die schon im nächsten Augenblick reißen konnte. »Wenn es nichts wirklich Dringliches ist, muss ich dich bitten, wieder zu gehen.«
    »Das kann ich nicht. Denn du hast Numi gefangen nehmen lassen«, sagte sie. »Lass ihn frei!«
    »Wieso sollte ich?« Senmuts Gesicht verschloss sich weiter. »Und was gehen meine Maßnahmen dich überhaupt an?«
    »Mehr vielleicht, als du denkst. Numi ist unschuldig. Er hat mit dem Verschwinden deiner Weißen nichts zu tun. Außerdem liebe ich ihn - und er liebt mich.«
    »Dann lügt er dreist! Mit eigenen Augen hab ich mit ansehen müssen, was sie aus diesem anmutigsten aller Geschöpfe Bastets gemacht haben: ein lumpiges Fell für perverse Spiele! Und mit meinen eigenen Ohren musste ich aus dem Mund des Satrapen vernehmen, dass diese schändliche Gabe von keinem anderen als Numi stammt.« Sein Blick wurde eisig. »Du liebst ihn, sagst du? Du, Chais ehrbare Witwe, liebst diesen Perser?«
    »Ja, ich liebe ihn, und deshalb glaube ich dir nicht.« Mina schüttelte den Kopf. »Das alles kann Aryandes nicht behauptet haben! Du musst dich täuschen …«
    »Spar dir deinen Atem!«, fiel er ihr ins Wort. »Ob ich mich täusche oder nicht, hast nicht du zu beurteilen. Numi bleibt hier in Gewahrsam, bis ihm der Prozess gemacht wird. Du bist dir hoffentlich darüber im Klaren, welche Strafe seinem gottlosen Frevel droht?«
    »Du willst ihn töten lassen?« Sie geriet immer mehr außer sich. »Aber das darfst du nicht! Numi ist nicht schuld am Tod deiner Katze. Er war es nicht!«
    »Dann bring mir den wahren Täter!«, verlangte Senmut. »Hier, zu meinen Füßen, will ich ihn sehen. Sobald er gestanden hat, ist Numi frei.«
    Eine Welle von Bitterkeit durchflutete Mina.
    »Ich dachte, wir wären Verbündete«, sagte sie. »Ich dachte, ich könnte dir vertrauen, nachdem ich meine Beweise so arglos in deine Hände gelegt habe. Aber da habe ich mich wohl getäuscht. Hast du nicht einmal von Aryandes gesagt, er habe kein Herz?« Sie musterte ihn herausfordernd. »Du hast ebenso wenig ein Herz wie er.«
    »Es ist genug«, sagte er mühsam beherrscht. »Du machst einen Fehler, Mina.«
    »Nein, du bist es, der einen großen Fehler begeht, Senmut. Wach auf, ehe es zu spät sein wird!«
    Bevor der Priester noch etwas erwidern konnte, drehte sie sich um und rannte davon.

    Sein Kopf brummte, als hätte sich ein wilder Bienenstock darin eingenistet, und der verräterische Streifen am verletzten Arm wurde immer dicker und röter. Schon bei der kleinsten Erschütterung spürte Huy schmerzhaft die Schwellungen unter seinen Achseln, inzwischen so groß und prall wie Hühnereier. Wie sehr er sich auch anstrengte, er kam nicht besonders weit, denn ständig musste er sich unterwegs erleichtern, so grimmig plagte ihn der Durchfall.
    Keiner brauchte ihm zu sagen, was mit ihm los war.
    Das eisige Gift der Göttin kreiste in seinen Adern, dafür hatte die Weiße mit den goldenen Augen gesorgt. Ihr Tod würde auch sein Ende bedeuten, und es schien nicht mehr allzu fern.
    Mit glasigem Blick irrte Huy durch die Straßen, weil er die Enge seiner Behausung nicht mehr ertragen hatte. An Schlaf war ohnehin längst nicht mehr zu denken. Wann immer er die Augen schloss, hatte er die Weiße vor sich, die fauchte und spuckte und die ihm offenbar etwas sagen wollte, bevor er sie für immer zum Schweigen gebracht hatte.
    Was hatten seine Hände getan?
    Manchmal schienen sie jetzt von innen heraus hellrot zu glühen, dann wieder waren sie dunkel, fast schwarz, voll von geronnenem Blut, das sie größer und gröber erscheinen ließ. Sooft er sie auch wusch, sauber wurden sie nicht mehr. Er hatte sie gebürstet, bis die Haut rau geworden und schließlich gerissen war - alles umsonst.
    Huy schwankte und wäre beinahe in eine Gruppe von Frauen gerannt, die ihm lachend und erhitzt entgegenkam.
    »Kannst du nicht aufpassen?«, fuhr eine von ihnen ihn an. »Jetzt betrinken sich diese Kerle schon am helllichten Tag!«
    »Lass ihn!«, sagte eine andere. »Er sieht doch schon fertig genug aus, mit seinem hässlichen Gestrüpp im Gesicht. Die falsche Richtung, kapiert, junger Mann? Komm, dreh dich um, wir zeigen dir, wohin der richtige Weg führt!«
    Auf einmal war er von lauter Frauen umgeben, von schwitzenden, duftenden,

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