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Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand

Titel: Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ameneh Bahrami
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an den Hubschraubern hingen: »Da legen sie die Leichen rein und transportieren sie ab«, erklärte Mohammad. Wie gut, dass ich meine Geschwister nicht an diesen grausigen Ort begleitet hatte.
    Im ersten Moment war ich nur heilfroh darüber, dass mein Vater am Leben und wir bei ihm waren. Doch dieser Angriff hatte diesen depressiven Mann in kürzester Zeit noch kränker gemacht. Mein Vater muss bei dem verheerenden Bombenangriff derart schreckliche Dinge gesehen und so viele Freunde und Arbeitskollegen verloren haben, dass er sich noch tiefer in sich zurückzog und es ihm immer schwerer fiel, sich allein um uns alle zu kümmern. Das Leben in der Militärsiedlung von Teheran wurde von Tag zu Tag trauriger und schweigsamer. Und so zogen wir schon bald wieder zurück nach Hamadan.
    Doch auch hier waren alle von diesem entsetzlichen und völlig nutzlosen Krieg gefangen. Meine Großeltern trauerten noch immer um ihr gefallenes Kind und bangten gleichzeitig um ihren zweiten Sohn Ali, der noch Soldat war. Jedes Mal, wenn ein Brief von der Front kam, beobachteten wir unseren Großvater eindringlich, wie er stumm Zeile für Zeile las. Würde er gleich lachen oder weinen? Als er eines Tages übers ganze Gesicht strahlte, wussten wir, dass Ali lebt!
    »Wenigstens diesen Sohn hat Gott mir gelassen!«, freute sich Großvater. Und dann – endlich – im August 1988 wurde ein Waffenstillstand geschlossen. Imam Ayatollah Khomeini akzeptierte, wie zuvor Saddam Hussein, die UN-Resolution 598. Nach acht langen Jahren war der Krieg endlich vorbei.
    Zu Ehren der Gefallenen wurden Straßen umbenannt. Und statt an den Wochenenden Freunde und Verwandte zu besuchen, beweinten die Überlebenden fortan ihre Toten. Noch heute hängen allenthalben – unübersehbar –
Porträts, die an die Märtyrer von damals erinnern. Vergessen wird man sie nie. Doch man lernt nach und nach, damit zu leben, dass sie nicht mehr da sind.

6. Familienbilder – Bewegte Zeiten
    Gegen Ende des Krieges interessierte sich ein reicher Landwirt aus Hamadan für meine Mutter und hielt um ihre Hand an. Wir Kinder – alle bis auf Mohammad – waren absolut dagegen, meine Mutter aber wollte den Antrag annehmen, um für uns fünf sorgen zu können, zumal »der Neue« offenkundig bereit gewesen wäre, uns zu adoptieren. Mein Bruder Mohammad mochte den Mann recht gern. Was nicht weiter verwundern musste, schließlich wurde der kleine Kerl reichlich mit Süßigkeiten bedacht und sah sich im Geiste bereits am Steuer seines ersten von dem Landwirt gekauften Autos sitzen.
    Schirin und ich aber waren untröstlich. Gewiss hatte unsere Mutter ihre Gründe, eine zweite Ehe einzugehen, doch ihr Zukünftiger war uns nicht sympathisch; ganz abgesehen davon, dass er nicht halb so elegant war wie unser Vater. In meiner Verzweiflung fiel mir eines Abends ein, was meine Mutter mir nach ihrer Scheidung geraten hatte, als ich so große Sehnsucht nach meinem Vater hatte. »Schreib ihm einen Brief«, hatte sie gesagt, »schreib ihm, er soll dich in Hamadan besuchen kommen.« Und mein Vater hatte damals ja auch nicht lange auf sich warten lassen. Also schrieb ich erneut einen Brief nach Teheran und freute mich riesig, als mein Vater nur wenige Tage später in Hamadan vor der Tür stand: »Dein Brief war voller Fehler«, lachte er, »ich konnte ihn aber trotzdem entschlüsseln!«
    Meine Eltern führten endlose Gespräche, an deren Ende mein Vater uns alle wieder mit nach Teheran nehmen wollte. Aber meine Mutter blieb bei ihrer Entscheidung und war fest entschlossen, erneut zu heiraten.
    Was will sie meinem Vater bloß damit beweisen?, fragte ich mich oft. Irgendwann wusste ich mir nicht anders zu helfen und bat tatsächlich erstmals in meinem Leben Gott um Beistand: »Hilf mir, sie umzustimmen, ich flehe dich an!«
    Und zum ersten Mal in meinem Leben musste ich annehmen, dass Gott mich tatsächlich erhört hatte, weil für meine kindliche Wahrnehmung ein kleines Wunder geschah. Wenige Tage vor seiner Hochzeit mit meiner Mutter erlag der Landwirt einem Herzinfarkt. Vielleicht war es das Alter. Oder die Aufregung. Oder tatsächlich Allah … Es war ein Wunder, wenn auch ein äußerst makaberes.
    Und so kam es, dass wir alle gemeinsam nach Teheran zurückkehrten, dass die Scheidung rückgängig gemacht wurde und wir von einem Tag auf den anderen wieder eine Familie waren. Eine Scheidung, wie auch ihre Rücknahme, waren einfache Verwaltungsakte, die man mit wenig Aufwand in einem Amt erledigen

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