Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand
sich die Todesstrafe!«, stand in der Zeitung. Und zu mir hatte er einmal gesagt: »Ich mache dir dein Leben kaputt, dann werde ich gehängt und bin erlöst. Aber wenn du mich heiratest, mach ich dich glücklich.« Die Todesstrafe sollte er – nach meinem Willen – nicht bekommen. Das erschien mir zu einfach und zu schnell. Für mich gab es nur eines: Vergeltung! Sein Augenlicht gegen meines. Das erschien mir das einzig angemessene Urteil.
Vergeltung. Viele Menschen fanden diese Art der Strafe unmenschlich. Dr. Saburi meinte, mir als Frau würde man dieses Recht ohnehin nicht zugestehen – Frauen zählten nicht viel im Iran … Am Ende käme Madschid vielleicht fast ungeschoren davon. Ein paar Jahre Haft, und er würde als noch immer junger, gesunder Mann freigelassen werden, der weiterhin zu allem fähig wäre. Ungeschoren? Madschid? Mein Bruder Mohammad hatte über Wochen und Monate Presseartikel gesammelt. An den Abenden in der Wohnung meiner Eltern las er mir daraus vor: »Ameneh schrie: Hilfe, ich verbrenne!« oder: »Wird sie je wieder sehen können?« Oder aber: »Ameneh hat alle Zähne verloren, muss ein Gebiss tragen.« Mein Gesundheitszustand wurde – am Anfang zumindest – genau beobachtet. »Amenehs Gesicht ist stark angeschwollen.« »Amenehs Auge wird ausgeräumt.« »Amenehs Auge wird geschlossen.« Ungeschoren? Nach all dem?
Erstaunliche Gerüchte kursierten bald über mein Leben in Spanien: »Hochzeit, Nachwuchs, Augenlicht«, lautete eine der Schlagzeilen. Auch über den Grund, den Auslöser für diese Tat, wurde kontrovers debattiert. Die einen gaben mir die Schuld und meinten, ich müsse den jungen Mann irgendwie gereizt und zu seiner Tat provoziert haben. Andere meinten, er hätte kein Recht, so zu reagieren, ganz gleich, was ich getan hätte.
In der Presse war zu lesen: »Madschid Mowahedi sagt: Ameneh hat mir einen Antrag gemacht. Ich habe abgelehnt und meine Tat aus Wut begangen.« Das offenbarte doch eine erstaunliche Logik.
In einem anderen Interview hatte er offenbar gesagt: »Ich hatte keine Ahnung, wie verheerend die Säure wirkt.«
Und ob er das wissen konnte. Wie oft hatten wir im Rahmen unseres Studiums mit Säure hantieren müssen. Und außerdem hatte er – so musste ich erfahren – seine Schwester, die Chemie studierte, nach der Wirkungsweise von Schwefelsäure gefragt. Und danach auch einen Zwei-Liter-Behälter gekauft und in der Drogerie sogar ausdrücklich nach »der ätzendsten Lösung« verlangt.
Als Mohammad mir dann auch noch vorlas, dass Madschid Nachahmer gefunden hatte, die mit Schmerzensgeld und Haftstrafen davongekommen waren, geriet ich endgültig in Rage. Mein Bruder versuchte mich zu beruhigen: »Weißt du noch: Als wir die Sache damals selbst regeln wollten, hast du Nein gesagt, Ameneh.«
Ja, natürlich konnte ich mich daran erinnern. Und das war noch immer meine Überzeugung. Die Zeiten der Selbstjustiz waren schließlich lange vorbei. »Ist dir der Sturmvogel ins Netz gegangen, sollst du sein Herz mit Liebe umfangen« – diese Zeilen kamen mir in Erinnerung. Wenn er versucht hätte, mich einfühlsam für sich zu gewinnen – ich war ja frei und hatte zu jener Zeit keinen Freund … Wer weiß, vielleicht hätte ich irgendwann Gefallen an ihm finden können. Vielleicht!
Er aber hatte immer nur gedrängt, seine Mutter vorgeschickt, mir aufgelauert, mich beobachtet – bis er am Ende mein ganzes Leben zerstört hatte. Und seines mit dazu. Wieso hatte er gedacht, er käme mit Gewalt weiter? Was hatten seine Eltern ihm beigebracht? Hatten sie ihm geraten: Schaff dir Haus und Auto an, dann kommt sie von alleine? War ich etwa käuflich? Ich verdiente damals doch mein eigenes Geld und konnte selbst für mich sorgen – was er auch wusste. Oder hatten sie ihm eingetrichtert: Zeig ihr von Anfang an, dass du der Herr im Haus sein wirst? Ein starker Mann kann alles haben, und eine schwache Frau wird immer folgen?
Unzählige Male raste mir der Kopf, weil ich Tag und Nacht alle Aspekte dieser Geschichte drehte und wendete, um eine Antwort zu finden, welches Urteil angemessen gewesen wäre. Eines war mir schon längst klar: Nicht Rache war mein wichtigstes Ziel – sondern Abschreckung. Mein Peiniger und alle Nachahmer sollten allein bei dem Gedanken an ein Säureattentat vor Angst erstarren. Würden solche Taten noch begangen werden, wenn alle potenziellen Täter wüssten, dass sie diese Säure in derselben Konzentration zu spüren bekämen wie ihre Opfer? Mein
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