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Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand

Titel: Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ameneh Bahrami
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Flüssigkeit langsam aus meinem rechten Auge rinnen. Ich fragte mich, was das wohl sein könnte, denn eine Lidsalbe benutzte ich damals keine. Schmerzen hatte ich auch nicht – es gab auch keine Wunde, aus der Eiter hätte fließen können.
    Ich nahm ein Taschentuch zur Hand und fuhr mir damit über die Wange und …
    Gütiger Gott, nicht das! Nicht mein Auge, bitte! Sage mir auf der Stelle, dass ich mir eben nicht mein Auge …
    Ich weinte mich in den Schlaf und bat Gott den Allmächtigen am folgenden Morgen, mir die Kraft zu geben, mein rechtes Auge zu berühren. Und dann spürte ich es …
    Meine Augenhöhle war leer. Das Auge war weg, und nun hatte ich gar nichts mehr. Alles um mich herum war dunkel, und in mir herrschte die schlimmste Dunkelheit meines Lebens.
    Gott im Himmel, bist du nun zufrieden? Hast du mich auch diesen Weg noch gehen lassen? Du, der Schöpfer? Warum gefällt es dir, mich so zu zerstören? Ich wollte wieder sehen, stattdessen hast du mich endgültig blind gemacht. Was hab ich dir angetan, um diese Strafe zu verdienen? Wo sind meine Augen, meine strahlend schönen, großen, schwarzen Augen? Wo sind sie … Wo?
    Es brachte nichts, die nun verlorenen Augen vor der Wahrheit zu verschließen. Und die Tränen, die auch nichts halfen, mussten diesmal fließen.
    Als Dr. Medel Stunden später meine Hiobsbotschaft hörte, legte er seinen Arm um mich, sah mich lange an und sagte dann: »Ameneh, die Wissenschaft macht ständig Fortschritte. Wir müssen einfach felsenfest daran glauben, dass es eines Tages eine Lösung für Sie gibt.«
    Die zunächst machbare Lösung war eine künstliche. Ich bekam ein Glasauge und gab mir die größte Mühe, mir meine Abneigung nicht anmerken zu lassen. Ähnlich wie der weiße Stock würde auch das gläserne Auge meine Blindheit weithin sichtbar machen, sie endgültig besiegeln.
    »Nach Möglichkeit vielleicht ein dunkelbraunes«, erlaubte ich mir die Bitte.
    »Tut mir leid, Ameneh, die Farbe haben wir gerade nicht.«
    So wählte ich die Augenfarbe von Dr. Medel – blaugrau.
    »Steht Ihnen gut«, strahlte ein Arzt, »und sieht ganz natürlich aus!«
    Ganz natürlich … Was war denn überhaupt noch natürlich?
    Am Abend jenes Tages träumte ich wieder …
    »Wann bekomme ich mein Augenlicht zurück? Ich will nicht darauf warten, bis ich alt und grau bin! Im Grunde kann ich gar nicht mehr daran glauben! Ich habe mir doch viel zu lange schon etwas vorgemacht. Und völlig vergeblich gehofft. Alles war umsonst!«
    Die Stimme Gottes gab mir eine Antwort: »Es wird beizeiten wiederkommen, Ameneh. Sei nicht zu undankbar. Vergiss nicht, dass du bisher in deiner schweren Zeit meinen Schutz genossen hast. Wie oft wurdest du vor Unfällen bewahrt, sind dir liebevolle Menschen begegnet oder hat dich manch schönes Ereignis sogar vergessen lassen, dass du blind bist!«
    »Wie lange soll ich mich damit noch trösten? Ich habe mir mein Auge von der Wange gewischt und es in den Abfall geworfen – und du hast das nicht verhindert!«
    »Sieh her, Ameneh«, sagte der Herr in sehr ruhigem Ton und streckte mir seine geschlossene Hand hin. Er öffnete sie, und ich sah zwei Augen in seiner Handfläche liegen.
    »Erkennst du die? Das sind deine Augen, Ameneh.«
    »Ja, das sind meine Augen.«
    »Du siehst, sie sind bei mir in guten Händen. Gedulde dich, du wirst beizeiten wieder sehen. Zuvor aber sollst du deine Bestimmung erkennen. Du hast eine Aufgabe, Ameneh, vergiss das nicht.« Dann verschwand er und ließ mich mit meinen zwei leeren Augenhöhlen allein.
    Die Gerichtsverhandlung in Teheran stand mir bevor.

18. Sichtweise – Das Auge des Gesetzes
    Ich würde als Verliererin nach Teheran reisen müssen, denn mein größter Wunsch hatte sich in Barcelona nicht erfüllt. Ich wollte mein Augenlicht wiedererlangen und ein menschliches Antlitz zurückhaben. Und nun würde ich blind und entstellt mein Recht erstreiten müssen. Alle Leute, die mir finanziell geholfen hatten, würden sehen, dass sich ihre Unterstützung nicht gelohnt hatte. Das allein offenbaren zu müssen fiel schon schwer genug.
    Ob alles anders verlaufen wäre, wenn Schwestern und Ärzte mich gleich zu Beginn sorgfältiger gewaschen hätten? Wenn alle besser gewusst hätten, was zu tun gewesen wäre? Und wenn ich nicht mehrere Stunden von Krankenhaus zu Krankenhaus gefahren worden wäre? Was, wenn Madschid statt der Säure etwas anderes genommen hätte? Wenn, wenn, wenn ... Es half nicht, sich über solche Fragen den Kopf

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