Auge um Auge
Zwiebeln für Rennie, halb Käse für mich. Während wir warten, gehen wir in Rennies Zimmer und lackieren uns schon mal die Nägel. Meine Farbe heißt Ballettschuh und ist hellrosa, fast schon weiß. Rennie wählt Cha Cha, ein grelles Orange. Als ihre Nägel trocken sind, geht sie duschen. Ich lasse mich auf ihr Bett fallen.
Eine komplette Wand in ihrem Zimmer hat Rennie unserer Freundschaft gewidmet. Es gibt auch ein paar Fotos von Ashlin und Reeve und den anderen, aber vor allem von uns beiden. Wir stehen im Mittelpunkt. Da ist der Fotostreifen aus dem Automaten auf dem Jahrmarkt, daneben ein Ticket von der New Yorker U-Bahn, als meine Mutter mit uns beiden dort war zu meinem vierzehnten Geburtstag, und von derselben Reise auch das Programmheft der Broadway-Theater. Es macht mich traurig, das alles anzusehen. So als wären all dies Erinnerungen von vor langer, langer Zeit.
Ms. Holtz steckt den Kopf zur Tür herein. »Die Pizza ist da, Lil.«
»Okay«, sage ich und strahle sie dankbar an. »Vielen Dank, Paige.« Mir ist nie so ganz wohl dabei, wenn ich Rennies Mutter beim Vornamen nenne, doch sie besteht darauf.
Sie geht nicht gleich, sondern bleibt in der Tür stehen. »Ich freue mich so, dass du heute mitgekommen bist. Komisch, erst heute Morgen habe ich zu Ren gesagt, ich hätte dich ja schon ewig nicht mehr gesehen.« Das letzte Mal war vor einer Woche, was an und für sich nicht wirklich auffällig wäre, wenn Rennie und ich nicht quasi zusammenlebten. Wir hängen irgendwie immer zusammen. Ich bin mir nicht sicher, ob Ms. Holtz eine Erklärung von mir erwartet, jedenfalls schweigt sie einen Moment. Doch dann lacht sie etwas gekünstelt und sagt: »Guck nicht so erschrocken, Schätzchen! Ich bin dir doch nicht böse! Ich weiß ja, wie viel ihr Mädels zu tun habt mit der Schule und dem Cheerleader-Training.«
Ich nicke, so als wäre das der wahre Grund.
»Du weißt, wie gern ich dich mag. Von Rennies Freunden mag ich dich am allerliebsten, Süße, und ich wünsche mir einfach, dass ihr euch immer so nah bleibt.«
Ich nicke wieder. Das erzählt Ms. Holtz mir ständig, dass sie mich von allen am liebsten mag. Das ist ja durchaus auch ein nettes Kompliment, aber heute fühle ich mich irgendwie unwohl dabei. Vielleicht ist es auch mein eigenes schlechtes Gewissen.
Rennie kommt aus dem Bad, ein Handtuch um den Körper gewickelt, eins um den Kopf.
»Die Pizza ist da, Ren«, sagt Ms. Holtz.
»Cool. Danke, Mom. Schönen Abend noch!« Damit knallt sie ihrer Mutter praktisch die Tür vor der Nase zu.
Rennie nimmt das Handtuch vom Kopf und wirft es aufs Bett. Um eine freie Steckdose für ihren Fön zu haben, muss sie erst den Stecker der Klimaanlage ziehen. Ich mache das Fenster auf, damit es nicht zu heiß wird im Zimmer. Rennie sitzt auf dem Boden vor dem Spiegel an der Rückseite der Zimmertür und fängt an, sich die Haare über eine Rundbürste zu fönen.
»Also, was machen wir heute Abend?«, fragt sie.
Ich rutsche vom Bett und auf Knien zu ihr hinüber. »Lass uns ins Kino gehen. Wir haben schon seit Ewigkeiten keinen Film mehr gesehen.« Früher haben Rennie und ich das immer gemacht, wenn es regnete. Aber dieser Sommer hatte Millionen Sonnentage. Heute will ich ins Kino, damit ich Rennie nicht ansehen und nicht mit ihr reden muss.
»Ooh! Gut! Willst du einen Mädelsabend? Du, ich und Ash?«
»Nein, ruf die Jungs an.« Das muss ich jetzt sagen, denn das hätte die alte Lillia gesagt. Und genau als die muss ich rüberkommen.
»Nur Reeve und PJ ? Oder sollten wir auch Alex anrufen? Hat er sich wieder beruhigt nach seinem Wutanfall, weil wir von der Party abgehauen sind?«
»Ich geh doch mal stark davon aus«, sage ich und fange an, mir die Haare zu flechten. »Abgesehen davon – wer sollte mir denn sonst im Kino was Süßes kaufen?«
Rennie fällt vor Lachen hintenüber und reißt mich mit sich. Sie fängt an, mich ins Knie zu kneifen, und kitzlig wie ich bin, muss ich einfach lachen. Rennie stützt sich auf einen Arm und sieht mich lächelnd an. »Lil«, sagt sie und seufzt kurz. »Ich bin so froh ...« Ich weiß nicht, ob sie erwartet, dass ich den Satz beende, doch als ich nichts sage, legt sie sich wieder auf den Rücken und redet, ohne mich anzusehen, weiter: »Du machst es ganz richtig. Lass einfach los.«
Ich bohre meine Nägel in die Handflächen und fühle, wie der fast getrocknete Lack von der Haut zusammengeschoben wird. »Ich weiß«, sage ich mit fest geschlossenen
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