Augen für den Fuchs
Gewissheit, er könnte es nutzen, wenn ihm danach wäre. Ihm war selten danach.
Unauffällig versuchte Schmitt zu wirken. Er durfte weder die Zeugin noch den Anwalt erschrecken. Der Beetz hatte er von dem Einsatz erst gar nicht berichtet. Sie hatten heute Morgen keine halbe Stunde in der Beratung gesessen. Kohlund war schweigsam und in sich gekehrt. Er überließ die Ermittlungen der jungen Kollegin, die trumpfte auf. Sollte sie doch, Schmitt hatte nichts dagegen, wenn sie ihn nicht mit unnötiger Arbeit überhäufte. Sie übernehmen die Frauen! Andersrum wurde ein Schuh draus: Die Frauen kamen zu ihm, Geduld zahlte sich eben aus. Serafina Karataeva würde er festsetzen lassen. Illegal, hatte der Herr Anwalt verschwörerisch verlauten lassen. Illegal! Schmitt hatte kein Verständnis für Sozialflüchtlinge, die in Deutschland vom besseren Leben träumten und es auch bekamen. Dagegen hatten die Politiker Gesetze beschlossen, die Schmitt verstand und respektierte. Und er setzte sie durch. Illegal! Frau Serafina Karataeva würde überrascht sein, wenn die Handschellen klickten. Und wer weiß, ob sie nicht auch eine Mörderin war. Sie war die Krankenschwester, die Frank Stuchlik betreut hatte. Zugang zur Station hatte niemand außer den Schwestern gehabt. Wer also sonst kam als Täter infrage? Er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Er würde es allen beweisen! Thorst Schmitt hieß der Sieger.
Offensichtlich wurde in seinem Bereich nicht bedient, oder die Kellnerin drehte Däumchen. Schmitt stellte sich an der kleinen Theke der Selbstbedienung an und überlegte, ob er ein Bier bestellen sollte. Aber wenn die Kollegen von der Ausländerbehörde kamen, dann sah das so dreist aus, als hätte er den Alkohol nötig. Was er nicht hatte. Schmitt bestellte trotzdem bei dem Mann hinter der Theke.
Als er wieder an seinem Tisch Platz nahm, sah er sie kommen. Zwei Männer, so unauffällig, wie sie nur von einer Behörde entsandt werden konnten. Schmitt fühlte sich an alte Agentenschinken erinnert, in denen Trenchcoat und Schlapphut unabdingbar waren. Betont belanglos musterten die beiden Herren die Anwesenden und blieben an Thorst Schmitts Gesicht hängen. Er winkte mit der Hand einen kurzen Gruß.
»Are you Mister Pointelovsky?«
»Bitte?«
»Are you Mister Pointelovsky?«
»Nein. Ich Thorst Schmitt. Kommissar.«
»We are sorry. We are looking for Mister Pointelovsky?«
Hätte er sich denken können, dass Männer vom Amt nicht lila und grün tragen würden. Amerikaner sicherlich, die hier irgendwelchen Geschäften nachgingen und die nächste Finanzkrise verursachten. Allein schon der Name Pointelovsky … Schmitt nahm einen kräftigen Schluck.
Ein Kind im Wagen flirtete mit ihm. Schmitt zwang sich zum Lächeln. Die Mutter bereitete Breichen und schob den Kleinen ordentlich hin, so dass er den Pamps gut essen konnte. Schmitt schaute zur Uhr. Weder waren die Beamten der Ausländerbehörde zu sehen noch Rechtsanwalt Dr. Luger. Er versuchte, die Sonnenstrahlen zu genießen und hielt die Augen offen. Wahrscheinlich wirkte er für die anderen Gäste wie ein Mann, der Arbeit nicht mehr nötig hatte oder keine bekam.
Sein Bier war ausgetrunken. Schmitt beschloss, sich für ein Zweites anzustellen. Er fragte sich, ob die Ausländerbehörde bereits selbstständig zugegriffen hatte. Das würde Zeitverzögerung bei der Klärung im Falle Stuchlik bedeuten. Serafina Karataeva war Zeugin in einem Mordfall, wenn nicht mehr. Es konnte nicht sein, dass Dr. Luger von seiner Falle erfahren hatte. Polizei und Amt arbeiteten eng zusammen und schwiegen. Nicht nur einmal hatten sie so Illegale überführt.
Mit einem wissenden Lächeln schob ihm der Barmann sein Bier in die Hand. Schmitt zahlte und nahm wieder seinen Platz ein. Ein Sonnentag und keine Serafina Karataeva. Schmitt beschloss, noch eine Viertelstunde zu warten.
»Scheiße!«
32
Beetz hatte die Runde beeindrucken können. Die erstarrten Gesichter hoben sich und lauschten aufmerksamen Auges. Kohlund erwachte aus seiner Lethargie, lächelte gar. Gut, Schmitt interessierten weder der Fall noch ihre Reden. Aber sie war stolz. Der Kaffee von der Hohmann schmeckte wie Pralinen und Sekt. Sie würde sich auf diesen Erfolg heute einen Abend außer Haus genehmigen, gut essen oder mal tanzen gehen oder Kino. Sie musste nur noch Joseph Hönig davon überzeugen, dass er mitkam. Und wenn er sie nicht begleiten wollte, dann würde sie Grischa Merghentin samt Freund einen ausgeben.
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