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Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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Momenten bezeichnete er ihn als Soziopathen und wollte ihn zum Psychologen schicken. Dann scheute er vor Schmitts Reaktion zurück. Solche wie der saßen Kohlund sonst als Beschuldigte gegenüber. Es war schon recht, dass er der Beetz mehr Verantwortung gab. Die erledigte die ihr übertragenen Aufgaben besonnen und gründlich. Aus der Beetz würde eine gute Kommissarin werden, da war sich Kohlund sicher. Und mit Schmitt würde er sprechen müssen. Spätestens, wenn er dem Ruf Hackenbergers folgte. Als seinen Nachfolger würde Kohlund Schmitt bestimmt nicht vorschlagen.
    Im Bad hatte Gisbert seine schweißigen Sportsachen einfach auf den Boden geworfen. Obwohl es Kohlund widerstrebte, legte er sie in den Dreckwäschekorb. Auch seine Mutter hatte ihm die Sachen hinterherräumen müssen. Aber er nahm sich vor, mit Gisbert über ein angemessenes Sozialverhalten zu sprechen. Auch mit Alexia würde er reden, nachdem gestern der Anruf der Beetz den heißen Sex so abrupt beendet hatte. Sie war wütend, hatte seitdem kein Wort mehr mit ihm gesprochen. Blumen würden die Atmosphäre nicht reinigen. Er musste sich etwas einfallen lassen. Aber Alexias Meinung zu seiner Beförderung würde sich nicht ändern, das konnte er sich an drei Fingern abzählen: Nein! Du bist so schon selten genug zu Hause.
    Das Wasser kam eiskalt aus der Brause. Kohlund fluchte. Er schaffte es selten, den Brausekopf auf eine erträgliche Temperatur einzustellen, und hätte lieber ein Bad genommen, wenn die Zeit es erlaubt hätte. Aber was war Zeit? Er hatte sich gerade Freiraum verschafft. Er hatte der Beetz alle Verantwortung im Fall Frank Stuchlik übertragen. Doch er fühlte sich wirklich schlecht. Und er musste zu einem Entschluss kommen. Karriereleiter weiter hinauf oder Endstation Leipziger Mordkommission zwo. Scheiße! Jetzt lief das Wasser zu heiß.
    Kohlund war im Zweifel, wer ihm objektiv Rat geben könnte. Die Familie war befangen. Logisch. Gisbert wie Charlotte würde seine Entscheidung ohnehin nicht interessieren. Sie gingen eigene Wege. Die Tochter paukte fürs Abitur. Gisbert arbeitete im Sozialdienst und hatte sich immer noch nicht festgelegt, ob und, wenn ja, was er studieren wollte. Kohlund hatte ihm oft genug ins Gewissen geredet, genutzt hatte es nicht. Seine Tochter dagegen hatte ihr Leben geplant: Jurastudium, Heirat, Karriere und Kinder. Genau in dieser Reihenfolge. Er sah das Schreckbild einer Frau Ministerin von der Leyen in der eigenen Familie heranwachsen. Noch nicht einmal mit Alexia hatte er über seine Befürchtungen Charlotte betreffend gesprochen, doch er sah skeptisch in ihre Zukunft. Er musste mit ihr reden! An allen Fronten musste er reden. Wahrscheinlich durchlitt er gerade das, was die Psychologen eine Midlife Crisis nannten. Jetzt tropfte das Wasser nur noch aus dem Hahn. Er drehte ihn zu.
    Das Handtuch hing so weit entfernt, dass Kohlund mit nassen Füßen aus der Wanne steigen musste. Er fröstelte und zog sich zum Zähneputzen ein T-Shirt über.
    Es wunderte ihn, dass heute Morgen keine Hektik in der Wohnung herrschte. Als er das Schlafzimmer wieder betrat, war Alexias Bett leer. Sie war weder in der Küche noch in der Stube. Sie hatte die Wohnung unbemerkt verlassen. Kohlund konnte diese Reaktion nicht deuten. Jetzt entzog sie sich komplett seiner Gegenwart. Vielleicht war sie gar nicht nach Hause gekommen. Sie hatte ihn einfach verlassen! Und er hatte sich gestern doch bemüht, mit ihr über alles zu sprechen. Einzig ihr hatte er von Hackenbergers Vorschlag erzählt. Das Gespräch hatte die Beetz beendet, beenden müssen. Dienst war Dienst. Er bedauerte aufrichtig, er wäre gern bei Alexia geblieben. Allein schon, dass er auf Wein und Dessert verzichten musste, schmerzte. Vom Sex ganz zu schweigen. Doch Alexia konnte nicht so nachtragend sein, dass sie daraufhin einfach ging. Sie waren fast zwanzig Jahre verheiratet. Mein Gott!
    Im Wohnzimmer schlug die Uhr seiner Oma. Jahrzehntelang hatte sie auf deren Büfett gestanden, Kohlund hatte sie als ihm zustehendes Erbteil mitgenommen. Sie stand in der Schrankwand und tönte melodisch wie Big Ben. Die Anzahl der Schläge gab dem Kommissar zu denken. Das konnte nicht wahr sein! Mindestens acht hatte er gezählt. Nach kurzer Suche fand er sein Handy: Es war neun Uhr! Er hatte verschlafen. Alexia hatte ihm wohl den Wecker auf drei Stunden später gestellt.
    Wahrscheinlich war er, nachdem er mit der Beetz die Kolleginnen und die Mutter der Schwitters verhört hatte,

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