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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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einen Liebhaber im Arm–, drei-, vier-, fünf-, sechs-, siebenmal! Göttlich! Auf ihn wirkte diese Musik wie ein erlösendes Gebet, das die Todesverkündung des Kopfsatzes bannte.
    Die kleine Pause vor B, knapp, doch lang genug, um neue Spannung aufzubauen. Und jetzt– Einsatz der Streicher. Das kleinste Intervall genügte, um die Melodie aus dem Klang heraus entstehen zu lassen. Zart hervortretend, pp, Crescendo sempre, müssen flirren, wie heiße Luft! Nein, nein, so nicht…
    Herzog klopfte ab. » Gentlemen, das ist ein Tremolo, das eigentlich kein richtiges Tremolo ist. Also keine Aufregung, kein Suspense, sondern farbige Stimmung, flirrende Luft, unglaublich dicht und lyrisch…« Er spitzte die Lippen und pfiff. » …pffffffffht. Und nicht krrrrrrrrch!«
    Er saß verausgabt auf einem Chromstahlhocker, die Haare klebten an der Stirn, und an seiner Nasenspitze zitterte ein Schweißtropfen. » Sonst, very good, Gentlemen. Das haben Sie jetzt sehr gut gemacht.«
    Er wandte sich an die Violinen in den ersten Pulten. In seiner Stimme lauerte Husten. Er räusperte sich. » Sie haben geführt. Das heißt, we have been together. Wichtig ist, jeder spielt wie er kann, aber nur in reference to the other. Das ist joined action– Zusammensein. Nicht so ein rhythmisches Unisono, wie bei italienischen oder französischen Orchestern. Achten Sie auf mein Zeichen.«
    » Wo, Maestro?« Der Konzertmeister deutete auf einen der vielen Flachbildmonitore, die zwischen den Notenpulten standen. » …hier auf den Bildschirmen oder am Pult?«
    » Achten Sie nur auf die Spitze meines Taktstocks! Egal, wo Sie ihn sehen, Gentlemen. Während unserer Probe meinetwegen noch hier in meiner Hand, aber während des Konzerts müssen Sie von Ihren Monitoren abnehmen. Das haben wir doch schon zigmal durchgesprochen.«
    Er richtet sich auf. » Takt 15, Einsatz der Posaunen, aber etwas weniger, Gentlemen. Pam, papapapapa pam! Und die ersten Geigen, wie heiße Luft! Eins und…«
    Der Taktstock in seiner Rechten machte eine Bewegung, knapp wie ein Wimpernschlag. Die Posaunen kamen besser jetzt, aber die Violinen flirrten nicht, wie er es verlangt hatte.
    » Da höre ich immer noch krrrrrrrrch, statt ein Flimmern in der Luft, pfffffffht. Jeder von Ihnen spielt in einer anderen Frequenz, sonst ist die Transparenz der Mittelstimme dahin. Für mich heißt Dirigieren Beherrschung des Mittelfelds. Haben Sie jemals Fußball gespielt?«
    Keiner wagte zu lachen. Er schlug einen Takt voraus. Feierlich dröhnten die Paukenschläge, die er mit ausholenden Bewegungen aufeinanderschichtete, während die Bläser dazu ein Lied der Weihe intonierten. Er verschmolz geradezu mit der Musik, die er dirigierte. Ergriffen schloß er die Augen und senkte den Kopf, als wäre er es allein, der mit weichen Schlägen den Choral wie aus dem Nichts erschuf. Umspült von göttlichen Klängen, wähnte er sich in den Grenzzonen des Lebens, in einer Atmosphäre, die zu dünn war, um darin zu überleben. Er hob ab. Ihm schwindelte. Er durfte jetzt nicht schwach werden. Er hatte der Welt noch soviel zu geben. Er taumelte, verlor das Gleichgewicht und hörte, während er fiel, wieder die Stimme seines Vaters nach ihm rufen.

Pettermanns Gasthof – Sommer 1914
    Karel, träum nicht, hilf mir lieber!« Während der Vater und Thomasch die dicke Trommel auf den Tanzboden trugen, stand Karl versonnen auf dem Eselskarren und schaute immer wieder zum Bach hinüber. Wo das Tal sich weitete und der Fahrweg in eine breite Allee mündete, stand das alte Gasthaus. Es war ganz aus Holz gezimmert, sein Dach war mit Schindeln gedeckt, und es hatte eine blumengeschmückte Fensterreihe, die auf die Straße schaute. Hinter dem Haus zog sich ein schattiger Wirtsgarten in ein Seitental hinein, aus dem ein Bach sprudelte. Gelächter kam von dort, wo ein hoher Steg über das Wasser führte. Karl sah, wie der Knabe vom Mittag über den Steg gelaufen kam, sich niederkauerte, seine Schnürsenkel aufnestelte und Schuhe und Strümpfe auszog. Mit nackten Füßen stieg er in das Wasser, das so klar war, daß im Sonnenschein der weiße Grundsand glitzerte. Da ließ ihn die Stimme des kleinen Mädchens zusammenfahren.
    » Willst du mitkommen, zum Baden?« Es stand in seinem Reitkostümchen neben dem Eselskarren und nagte an der Birne. Scheu blickte Karl zu ihm hinunter.
    » Gern! Aber ich kann leider nicht. Ich muß arbeiten.«
    Die Stimme des Vaters schallte vom Wirtsgarten herüber. » Karel, so hilf uns doch,

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