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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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wir haben nicht mehr viel Zeit, und wir müssen vorher auch noch alle Instrumente stimmen!«
    » Da hörst du’s!«
    Das Mädchen hielt sich die Hand vor den Mund und kicherte. » Du heißt Karel? Komischer Name.«
    » Eigentlich heiße ich Karl. Karel sagt man in Böhmen, wo wir herkommen. Der Vater nennt mich so. Und du?«
    » Ich heiße Franziska.«
    Da winkte der Knabe vom Bach herüber. » Fränzchen, komm endlich, hier gibt es Fische.«
    Jetzt war es Karl, der kicherte. » Fränzchen?«
    Franziska stampfte wütend auf. » Das sagt der nur, um mich zu ärgern!«
    » Dein Bruder?«
    Franziska schüttelte den Kopf. » Mein blöder Cousin. Wir sind hier zu Besuch, die Sommerferien über.«
    Karl schaute ihr nach, wie sie über die Wiese zum Bach hinunterrannte, ihre roten Reitstiefel auszog und schaudernd mit verschränkten Armen ins kalte Wasser watete.
    Der Bauerntanz begann um fünf mit einem Tusch. Die Burschen und Mädchen hatten sich herausgeputzt. Einige kamen in Tracht, andere im Sonntagsstaat aus den umliegenden Dörfern oder aus der Stadt. Mit dem Fiedelbogen gab der Vater den Einsatz, und es erklangen die ersten Takte einer Polka. Die Burschen führten ihre Mädchen auf den Tanzboden, der ganz mit Tannenzweigen eingerahmt war. Doch nach ein paar Takten brach die Musik schon wieder ab, und der Wirt sammelte mit einem Tablett die Tanzgroschen ein. Erst als alle ihren Obolus entrichtet hatten, gab er das Zeichen, und die kleine Tanzkapelle legte los.
    Karl saß auf einem mit mehreren Kissen erhöhten Schemel vor einem Klavier, dessen Deckel entfernt worden war. Seine Beine waren viel zu kurz, um an die Pedale heranzureichen. Virtuos spielte er auf, wie er es den Klavierspielern der internationalen Tanzkapellen abgeschaut hatte, die im Grandhotel Pupp zu Hause in Karlsbad zum Five o’Clock Tea auftraten. Oft durfte er mit seinem kleinen Bollerwagen das neue Notenmaterial von der elterlichen Musikalienhandlung zum Lieferanteneingang des Luxushotels bringen und gelangte dann mit seinem Papierbündel unangefochten hinter die Bühne des prächtigen Tanz- und Konzertsaals.
    Seine Hände, zu klein, um eine ganze Oktave zu greifen, flogen über die Tasten. Er brauchte kaum hinzuschauen, so sicher war sein Spiel. Rechts neben ihm musizierte der Vater. Er spielte abwechselnd die » Klarfiedel«, die Trompete und die Klarinette. Er stand leicht vorgebeugt, hielt den Kopf gesenkt und bediente mit der Fußmaschine die große Trommel. Auf der anderen Seite des Klaviers hockte der dicke Thomasch auf einem Schemel und spielte die » Plaschperment«, eine kleine Baßgeige, die auf seinen Oberschenkeln lag und über die er breit den großen Bogen strich. Für gewöhnlich standen die Musiker in Blickkontakt, während sie spielten, um einander anzufeuern. Doch an diesem Nachmittag schweiften Karls Blicke immer wieder hinüber zum Bach, von wo Franziska und ihr Cousin nun barfuß über die Wiese zum Wirtsgarten gelaufen kamen.
    Ein eleganter Herr eilte ihnen entgegen. Er trug einen weißen Anzug und eine buntbestickte Weste und um den Hals ein seidig schimmerndes Tuch, in dem eine graue Perle steckte. Auf seinem Kopf saß akkurat ein Strohhut, und er hielt einen schwarzen Spazierstock mit elfenbeinernem Griff in der Hand. Er führte den Jungen und Franziska die ausgetretene Holztreppe hinauf zur Veranda, von wo aus die Offiziere der Garnison und die feineren Herrschaften aus der Stadt das bäuerliche Treiben verfolgen konnten, ohne sich unter das Volk mischen zu müssen. Unten gab es Bier, oben Wein und Champagner für die Erwachsenen, für die Kinder heiße Schokolade, Eissorbets und köstliche Sahnekuchen, bei deren Anblick Karl das Wasser im Mund zusammenlief.
    Als er plötzlich dort unter den Gästen jene ausgelassene Hochzeitsgesellschaft entdeckte, von deren Lärm sie am Morgen unter der Brücke geweckt worden waren, zuckte er ein wenig zusammen. Burschen hatten mit einer leeren Sänfte aus Weidengeflecht die Braut erwartet, die in der Dämmerung auf einem mit Blumen und Lichtern geschmückten Nachen über den Fluß gebracht wurde. Sie stand, umringt von jungen Frauen, am Bug in einem weißen Hochzeitskleid und sang ein teils lustiges, teils trauriges Lied, ganz ähnlich der Tanzweise, die der Vater den Tag über auf seiner Geige spielte. Ihr Gesicht, dessen Maskenhaftigkeit ihn erschreckt hatte, war ganz mit Blattgold bedeckt, und als sie dem Vater zulächelte, war über dessen Gesicht ein Schatten gehuscht, als wäre

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