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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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hin, die dieser mit seiner Pranke ergriff und fröhlich schüttelte.
    » Oh, I am so glad to meet you, Mr. Herzog! Jeder, den ich hier in Berlin gefragt habe, sagte mir, Sie sind der kommende Mann…« Glänzende Kulleraugen schwammen hinter den dicken Gläsern seiner schwarzen Hornbrille. Krausnik unterbrach ihn gutgelaunt. » Nehmen Sie sich in acht vor diesem Charmeur, Herzog. Kritiker liegen Ihnen entweder zu Füßen, oder sie gehen einem an den Kragen.«
    Herzog verbeugte sich geschmeichelt. » Wissen Sie, was Tschechow über Kritiker gesagt hat, Mr. Lassally? › Wenn ich auf sie gehört hätte, wäre ich betrunken in der Gosse gestorben.‹ Zum Wohl, die Herren.«
    Sie prosteten sich gegenseitig zu.
    » Mr. Lassally behauptete gerade, er habe in unserer Branche einen völlig neuen Beruf erfunden, den eines Plattenproduzenten. Was verstehen Sie darunter, Sir?«
    Wie auf Stichwort legte sich der Engländer ins Zeug. » Die Schallplatte ist das Medium der Zukunft! In einer Unterhaltungsindustrie, die Zweitklassigkeit zum Fetisch macht, setze ich auf Qualität. Ich habe vor, nur mit den besten Künstlern und Orchestern Platten zu produzieren, die, was die Rezeption des klassischen Musikkanons anbelangt, Maßstäbe für die Zukunft setzen sollen. Ich habe kein Talent zu musizieren. Ich habe nicht das Charisma, dirigieren zu können wie Sie, Maestro, dafür aber ein scharfes Gehör, und ich kann Partituren lesen. Ich bin also der ideale Zuhörer. Zuzuhören ist die Gabe, die man braucht, um Schallplatten für die Ewigkeit zu produzieren.«
    » Dann merken Sie sich meine Worte, Mr. Lassally…« Anpreisend schnippte Krausnik auf Karls Hemdbrust, trat einen Schritt zurück, um ihn wie eine kostbare Skulptur zu betrachten, die an den Mann zu bringen war. » …in den nächsten fünfundzwanzig Jahren wird dieser Mann die Musikwelt beherrschen und ihr seinen Stempel aufdrücken. Verpflichten Sie ihn also, so rasch Sie können.«
    Herzog lächelte geschmeichelt. » …aber nur, wenn Mr. Lassallys Plattenaufnahmen mehr sein wollen als bloße Klangfotografie, wie bei Livemitschnitten zum Beispiel.«
    Der Engländer nickte. » Was haben Sie denn gedacht. Wir nehmen die Musik auf, Take für Take, und erst am Mischpult wird das Ganze zusammengesetzt. So habe ich bis zum Schluß noch alles in der Hand. Schließlich will ich in Zukunft nichts Geringeres werden als der Papst der Schallplatte!«
    » Interessant. Warum nicht König oder Kaiser, warum ausgerechnet Papst?«
    » Weil der Papst unfehlbar ist.«
    » Aut papa aut nihil?«
    » Right, Mr. Herzog.«
    » Darauf sollten wir anstoßen, Eure Heiligkeit. Man sagte mir, Sie bereiteten mit Sir Thomas für die Deutsche Grammophon die › Zauberflöte‹ vor?«
    » Ja, im Frühjahr. Wir suchen nur noch nach einem geeigneten Mozart-Tenor.«
    » Dann sollten Sie sich bei Ihren Ansprüchen unbedingt meinen Freund Joseph Steinberg anhören. The best Tamino ever! Er gastiert zur Zeit an der Wiener Oper.«
    Krausnik drückte sein Kinn auf die Brust, atmete verärgert durch den geöffneten Mund. » Aber, aber, meine Herren. Steinberg ist doch Jude. Was soll das denn, nachdem jetzt endlich Wirklichkeit geworden ist, was der Führer stets gefordert hat: › Deutsche Opernhäuser befreit von der jüdischen Plage‹. Sollen wir sie jetzt etwa, wie dieses Fräulein Geissmar, wieder zum Hauptportal hereinlassen?«
    In gespielter Jovialität drohte er Lassally mit dem Zeigefinger. » Das war keine sehr freundliche Geste von Ihrem Chef.«
    Bei der Ankunft des London Philharmonic Orchestra am Donnerstag im Potsdamer Bahnhof wäre es fast zu einem Eklat gekommen. Vertreter des Stabes Ribbentrop, des Auswärtigen Amtes, der Reichskanzlei und anderer offizieller Stellen hatten sich am Bahnsteig eingefunden, als Sir Thomas Beecham in Begleitung seiner neuen Sekretärin ausstieg und das Blitzlichtgewitter der Pressefotografen mit der Herablassung eines Staatsbesuchers über sich ergehen ließ.
    Jeder am Bahnsteig wußte sofort, die Dame an seiner Seite mit den kurzgeschnittenen Haaren, die mit den gleichen Ehren wie Sir Thomas empfangen wurde, war niemand anderes als Furtwänglers jüdische Sekretärin Berta Geissmar, die die Nazis nur ein paar Monate zuvor aus dem Land gejagt hatten.
    Zähneknirschend mußten jetzt dieselben Herren miterleben, mit welcher Chuzpe die » jüdische Schickse« in Begleitung ihres neuen Chefs Sir Thomas an die Stätte ihres langjährigen Wirkens zurückkehrte. Als

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