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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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sagen…«
    Es war der zweite Pakt, den er in seinem Leben schloß. Es war kein Neubeginn, es war eine völlig neuartige Form von Karriere, die seinen Weltruhm begründen sollte. » …aber ich warne Sie. Ich werde ein Diktator sein!«

London – Frühjahr 1947
    Ten minutes break!« In der Kingsway Hall, einer Methodistenkirche im Zentrum Londons, die schon in den dreißiger Jahren von den großen Schallplattenfirmen wie Decca oder EMI wegen ihrer außergewöhnlichen Akustik als Studio genutzt worden war, mußten die Mikrofone der Gesangssolisten umgebaut werden. Bei dem Duett » So ist mein Jesus nun gefangen« war es zu Interferenzen gekommen, weil das Vibrato der Altistin Gudruns Sopranstimme überlagert hatte. Mit seinen hochtrainierten Musikerohren hatte Lassally sofort den kleinen akustischen Fehler herausgehört, wiewohl er in die Partitur der Matthäuspassion vertieft war, um nur ja keine Note zu verpassen.
    Er saß in der Sakristei der Kirche auf einem erhöhten Podium in einem Ohrensessel, von dem aus er wie ein kleiner Feldherr den ganzen Kontrollraum im Auge hatte, in dem seine Tontechniker die Bandspieler und Mischpulte bedienten. Als Gudrun in den Kontrollraum kam, war aus dem Lautsprecher der Gegensprechanlage Herzogs Stimme zu hören. » War denn der Tonmeister mit den Tempi jetzt zufrieden, Victor? Warte, ich komme nach hinten, um in der Pause die Aufnahme abzuhören. Könntest du inzwischen die Mikros neu einmessen?«
    Gereizt klappte Lassally die Partitur zu. » Dein Mann weiß ganz genau, was er tut. Behelligt mich, seinen Produzenten, mit technischen Kinkerlitzchen und traktiert den Toningenieur mit musikalischen Fragen. Teile und herrsche. Hat er sich wohl bei Hitler abgeschaut.«
    Gudrun machte ein Hohlkreuz und schaute sich nach einer Sitzgelegenheit um. » Was beschwerst du dich? Schließlich hast du ihn hierhergelotst.«
    » Heute morgen warf er mir seinen Mantel hin. Ich solle ihn in die Garderobe hängen, nur um keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, wer hier das Sagen hat. Und wenn Gäste auf die Probe kommen, bringt er das Orchester absichtlich durcheinander, nur um ihnen zu demonstrieren, wie er es mit einem Schlag seines Taktstocks wieder auf Vordermann bringen kann.«
    » Es kann eben nur einer sein, der den Ton angibt, Victor.« Gudrun stemmte die Hände in die Hüften und streckte ihren Bauch heraus, der aussah, als wäre ein Medizinball in ihrem Rücken eingeschlagen, obwohl sie mit einem hochgegürteten Umstandskleid versuchte, ihre Schwangerschaft zu verbergen. » Du hast gewußt, wen du dir da geangelt hast.« Sie war längst im achten Monat, und die Füße taten ihr weh vom langen Stehen während der Gesangsaufnahmen.
    » Wann ist es denn soweit? Komm, setz dich!« Lassally bot ihr seinen Sessel an. Er kümmerte sich rührend um sie, brachte sie zum Lachen, wenn sie niedergeschlagen war, sorgte sich um ihr Wohlergehen und leistete ihr Gesellschaft, wenn Karl sich wieder einmal in seine Arbeit vergraben hatte.
    » Der Arzt meint, es könnte jederzeit passieren.«
    » Ist es nicht viel zu gefährlich, in dieser schlecht geheizten Halle?«
    » Besser, als im Hotel herumzusitzen.« Sie nahm in dem angewärmten Ohrensessel Platz und streichelte über ihren Bauch. » Diese Arien tun dem Baby gut. Wenn Karl nur ein wenig Rücksicht auf meinen Zustand nehmen würde…« Sie trank einen Schluck Wasser, zog die Schuhe aus und massierte ihre Füße. Sie hatte eingesehen, daß es sinnlos war, Karl ändern zu wollen und gegen seine Arbeitswut zu kämpfen. » …er hält sich einfach nicht an deinen Probenplan. Wir müssen stets auf Stand-by sein und warten, bis der Maestro nach uns verlangt!«
    » …aber dann hat sich das Warten auch gelohnt.« Herzog stürmte gutgelaunt in den Kontrollraum. Er strahlte, so zufrieden war er mit seiner Arbeit, und hauchte Gudrun einen flüchtigen Kuß aufs Haar. » Und du hast wunderbar gesungen!«
    Er hatte in nur einem Take den Schluß des ersten Teils der Passion– Arie, Rezitativ und Choral » O Mensch, bewein dein Sünden groß«– aufgenommen, ohne einmal unterbrechen zu müssen. Jetzt war er begierig, die Aufnahme abzuhören. Das Besondere an der Kingsway Hall war, daß der Dirigent erst im Kontrollraum jene Details hören konnte, die er zuvor draußen in der Halle mit seinen Musikern erarbeitet hatte.
    In London war er aufgeblüht und hatte wieder zu sich selbst gefunden. Wonach verlangten die Menschen nach all diesen gottlosen Jahren? Nach

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