Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
paar internationale Solisten, bestselling artists, so to speak, die er wie in einem Katalog aus der » Gottbegnadetenliste« auswählte und die wie Herzog mit Auftrittsverbot belegt waren und untätig zu Hause herumsaßen.
    Er war am Abend zuvor mit dem Zug aus Zürich eingetroffen. Als Angehöriger der Alliierten durfte er nicht mit dem ehemaligen Feind verhandeln, denn auf » fraternizing« und » trading with the enemy« standen hohe Strafen. Für die neutrale Schweiz jedoch galten die alliierten Beschränkungen nicht. Also entsann er sich jenes Abends in der Berliner Philharmonie, an dem ihm der junge Schweizer Konzertagent Krausnik den aufstrebenden Herzog vorgestellt hatte. Er hatte noch seine Worte im Ohr: » In den nächsten fünfundzwanzig Jahren wird dieser Mann die ganze Musikwelt beherrschen und ihr seinen Stempel aufdrücken.« Deshalb der Umweg über Zürich.
    Die Stadt, Drehscheibe kontinentaler Musikvermittlung, kam ihm vor wie aus dem Bilderbuch der Vorkriegsjahre, als hätte es jenseits der Grenze, nur einige Dutzend Kilometer Luftlinie entfernt, nie Massenmord und Krieg gegeben. Trotzdem herrschte auch auf dieser Insel der Gerechten in Presse und unter den Remigranten der Community eine erbitterte Fehde über Furtwänglers Verstrickung in das Dritte Reich. Die einen verteidigten ihn gegen den Vorwurf der Gesinnungslumperei und verwiesen auf seine Hilfsbereitschaft, mit der er viele Naziopfer vor der Verfolgung gerettet hatte, die anderen hielten ihm seine Ergebenheitsadressen und Propagandakonzerte vor. Wer gehandelt habe wie er, habe das moralische Recht verwirkt, je wieder Beethoven spielen zu dürfen.
    Lassally hatte für » coming to terms with the past« kein Verständnis. Die Menschen hatten den Nazikünstlern im letzten Jahr zugejubelt, warum sollte das denn jetzt anders sein? Nur weil sie inzwischen einen Krieg verloren hatten? » They hadn’t the choice to be on the right side of the fence«, war seine Devise.
    Er suchte Krausnik auf in seiner Konzertagentur am Limmatquai. Der Agent hatte die Schweizer Dependance der Konzertagentur Mangold übernommen und sich bereits wieder sehr erfolgreich im Nachkriegsgeschäft etabliert. Der alte Mangold hatte den verlorenen Sohn, mit dem er die ganze Nazizeit über in besten Geschäftsbeziehungen gestanden hatte, nach dessen Flucht aus Berlin bei sich aufgenommen und ihm nach seinem Ausscheiden die Geschäfte übertragen. Von Krausnik also hatte Lassally alles erfahren, was er über Herzog wissen wollte, seine verzweifelte Lage, sein Auftrittsverbot, die Ungeduld, mit der er in einem oberbayerischen Kaff herumhockte, voller Selbstmitleid und Ressentiments. Krausnik besorgte dem britischen Plattenproduzenten ein Schlafwagenticket und eine Reisegenehmigung, und Lassally fuhr im Auftrag der Schweizer Konzertagentur Mangold & Krausnik nach München.
    Dort hatte er sich mit dem US-Kontrolloffizier Oberleutnant Lewis C. Turteltraub im AFN Munich verabredet, den er als Leiter einer mobilen US-Rundfunkeinheit in Liverpool kennengelernt hatte und der jetzt als Supervising Studio Engineerim schwer beschädigten Riemerschmid-Bau auf jene bisher unbekannte Magnetophone gestoßen war, die den knisternden Wachsmatrizen weit überlegen waren. Die Bandaufnahmen waren um ein vieles reiner, aber was das Wichtigste war: Man konnte sie wie einen Film bearbeiten, mißlungene Teile herausschneiden und sie durch Neuaufnahmen ersetzen oder die verschiedenen Instrumentengruppen getrennt aufnehmen, um sie erst hernach im Tonstudio zu mischen, bevor die Aufnahme auf eine Schallplatte gepreßt wurde.
    » …damit werden wir die Musikwelt revolutionieren. Kümmern Sie sich nicht länger um Ihr Auftritts- und Berufsverbot, denn wir brauchen keinen öffentlichen Konzertraum mehr, um unsere Musik zu machen. Das Aufnahmestudio der Schallplatte wird das Orchesterpodium des Konzertsaals ersetzen. Wir erzeugen unsere eigenen Räume– Klangräume, in denen wir unser Klangideal verwirklichen: Sie mit Ihrer dynamischen Energie und rhythmischen Genauigkeit am Pult, ich mit meinen feinen Ohren und dem Streben nach dramatischem Ausdruck an den Reglern! Gemeinsam werden wir Standards setzen, an denen künftige Musikergenerationen gemessen werden.«
    » Und was werden die Kulturbehörden in London davon halten?«
    » Nichts! Sie entnazifizieren das Reich, nicht Großbritannien. Machen Sie es?«
    Herzog ergriff Lassallys hingehaltene Hand. » Mit tausend Freuden, anders kann ich es nicht

Weitere Kostenlose Bücher