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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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die meisten war sie mit ihren wundersam langen Gliedern ein Rätsel, dessen geheimnisvoller Zauber in der Macht lag, die sie über andere hatte. Alle am Konservatorium bewunderten ihre Intelligenz, ihren Liebreiz und ihr seltenes Gefühl für Schönheit und verliebten sich in sie, die Lehrer eingeschlossen.
    Sie hatte gerade ihr Erasmus-Stipendium an der Sorbonne erfolgreich abgeschlossen und sich am Mozarteum eingeschrieben, als sie jenem Mann begegnete, der zu ihrem Schicksal werden sollte. Herzog stand damals im Zenit seiner Popularität und dirigierte bei den Salzburger Festspielen die Ariadne auf Naxos , in der Gudrun Thennbergen die halsbrecherischen Koloraturarien der Zerbinetta sang. Maria brach fast in Tränen aus über die unerreichbar ruhige Schönheit der Musik, ihre Magie und hellenische Leichtigkeit, die sie an die Meeresküsten ihrer Kindheit erinnerte.
    Als alle Töne verklungen waren, entlud sich die angestaute Spannung im Publikum in einem kollektiven Aufschrei. Es war kein Beifall, sondern frenetischer Jubel und besinnungslose Akklamation. Das Publikum drängelte zum Orchestergraben vor, in dem der Maestro mit weit ausgebreiteten Armen im Applaus badete. Sie erinnerte sich noch genau an sein Lächeln, mit dem er ihr am Bühneneingang sein Autogramm auf ihr Programmheft gekritzelt hatte. Jeden, der ihr damals prophezeit hätte, daß sie einmal seine Frau sein würde, hätte sie für verrückt erklärt.
    Im Laufe ihres Musikstudiums wurde sie ganz zwangsläufig und immer häufiger mit seiner Allgegenwart im Konzertbetrieb konfrontiert, und die Tatsache, daß sie ihn als ihr Idol bewunderte, mochte ausschlaggebend gewesen sein, daß sie an den Musikhochschulen neben Komposition und Theorie einen Dirigierkurs belegte– für Frauen damals ein absoluter Tabubruch. Ihr Wahlspruch lautete: » Sei nicht konform, sei anders! Laß dir nicht einreden, wie du zu sein hast, und stell dir nie die Frage, was werden jetzt die andern von dir denken…«
    Als sie erfuhr, daß Herzog im Rahmen der Luzerner Festspiele einen Meisterkurs für angehende Dirigenten abhalten würde, trampte sie kurz entschlossen nach Luzern.

Luzern – im Sommer 1972
    Die Musikhochschule, eine Villa im englischen Cottagestil, lag in einem Park über dem Vierwaldstädter See. Dort hatte sie den Bescheid bekommen, der Maestro unterrichte keine Frauen. Doch damit gab sie sich nicht geschlagen. Sie fand heraus, wo er wohnte, zog einen Minirock an und klingelte an der Haustür. Sie mußte lange warten, bis geöffnet wurde und sie in ein weitläufiges Vestibül eintrat mit Kübelpflanzen, die sie nur aus Gewächshäusern kannte. Dann wurde die Tür zum Salon geöffnet, und statt des Hausherrn, wie sie es erwartet hatte, trat Constantin Morawitz heraus, der Assistent des Maestros, jung, groß, hübsch und vornehm, ein athletischer Engel– damals noch mit dichten, lockigen Haaren auf dem Kopf–, der ihr mit leiser Stimme zu verstehen gab, der Maestro sei noch auf der Probe und komme nicht vor ein paar Stunden nach Hause. Sie gab sich als die beste Freundin seiner Tochter aus und erklärte kategorisch, dann werde sie so lange warten.
    Cosmo führte sie in den Salon, in dem ein Flügel stand und eine Chaiselongue. Während sie sich unterhielten, versuchte Maria, ähnlich leise wie der Assistent zu sprechen und sich seiner vornehmen Stimme anzupassen. Sie erwähnte wie nebenbei ihr Erasmus-Stipendium an der Sorbonne, daß sie ein Dirigierdiplom am Rimski-Korsakow-Konservatorium bei Professor Musin mit Auszeichnung gewonnen und im Frühjahr das Konzertexamen am Mozarteum für Dirigieren abgelegt habe. Ihr gefiel seine amüsant raunende Art, mit der er sich für ihre Vita interessierte, und als sie merkte, daß er nicht ohne Einfluß auf seinen Herrn und Meister war, beschloß sie, ihre Strategie zu ändern.
    Sie vertraute ganz auf ihren Zauber, zog ihren Rock zurecht und gestand, daß sie geschwindelt habe und was der eigentliche Grund ihres Besuches sei. Ja, sagte er, nachdem er ihre Zeugnisse sorgfältig durchgelesen hatte, er wolle sich bei Herzog gern für sie verwenden. Das Seminar sei zwar schon besetzt, aber alle Bewerber müßten erst noch zur Probe dirigieren, bevor sie endgültig in die Meisterklasse aufgenommen würden. Er werde sie nur mit ihrem Nachnamen auf die Liste setzen. Sie hingegen müsse dann den Maestro mit ihrem Taktstock überzeugen, wobei es nicht von Nachteil sei, wenn sie sich ein wenig maskuliner kleide, damit es nicht

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