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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Allegro vivace eröffnet wird, erklang. Sofort stellte sich jener durchsichtige, festlich verhaltene Mozart-Ton aus Streichern und hohen Bläsern ein, und alles leuchtete in strahlendem C-Dur.
    Herzog schaute auf und rief in die Musik hinein. » Das war ausgezeichnet, junger Mann…« Leider hatte sein ermunternder Zwischenruf Maria ganz aus dem Konzept gebracht; der helle, nie harmlose Fluß des Mozartschen Musizierens verlangte in jeder Sekunde äußerste Konzentration. » …achten Sie auf die Fagotte, die bolzen Ihnen rein, die brauchen Ihre Hilfe.«
    Sie stampfte mit dem Fuß auf und hörte auf zu dirigieren. » Ich weiß auch nicht, warum die Holzbläser auf einmal soviel lauter geworden sind.«
    » Das Crescendo in Takt siebzehn haben Sie selbst angeheizt! Wenn Sie hier nicht auf die Bremse treten, dann haben Sie ein paar Takte weiter ein tobendes Mezzoforte, aus dem es kein Entrinnen gibt. Warten Sie, ich schlage parallel mit Ihnen.«
    Mit einer Flanke sprang er auf das Podium, stellte sich dicht neben sie. » Der Schlag kommt aus dem Unterarm. Sehen Sie, so!« Er gab den Einsatz, und der Symphonieanfang erklang erneut. Beide dirigierten in voller Kongruenz, doch Herzog schaute zunehmend irritiert auf Marias Hände. » Ihre Handgelenke sind zu steif. Lassen Sie die Arme fallen…« Damit trat er hinter sie, um ihren rechten Schlagarm zu führen. Er wollte sie am Handgelenk festhalten, doch Maria entwand sich ihm geschickt. » Was haben Sie denn…?«
    Jetzt schaute er genauer hin. Darauf sprang er vom Podium, riß seinem Assistenten die Kandidatenliste aus der Hand und runzelte die Stirn. » Hier steht Ratazzi– das sind Sie?«
    Maria nickte. » Ja, mein Name ist Ratazzi, Maria Ratazzi!«
    » Mein liebes Fräulein. Fast wäre es Ihnen gelungen, mich zu täuschen. Sie waren gut, vielleicht sogar der beste Kandidat an diesem Nachmittag. Aber Dirigieren ist nichts für Frauen.«
    Maria achtete nicht auf das hämische Gekicher aus dem Saal. Tränen traten ihr in die Augen– Tränen der Wut. » Und warum nicht, verdammt noch mal?«
    » Warum, warum…«, er strich Marias Name von der Liste, » …eher werden sie Papst oder Generalfeldmarschall!«
    Fassungslos blickte sie in die feixenden Gesichter ihrer männlichen Mitbewerber, die zu allem hin ihm auch noch applaudierten. Dann klappte sie die Partitur zu, legte den Taktstock nieder und verbeugte sich vor dem Orchester. Begleitet vom Geklapper der Violinbogen auf den Notenständern, verließ Maria das Tribunal mit dem festen Vorsatz, ihm diese Niederlage dereinst heimzuzahlen.

Südfrankreich – Sommer 1973
    Joachim hatte sich in sie verliebt. Er stand unter der Dusche und war glücklich, weil sie auf der Fahrt nach Saint-Tropez zum ersten Mal die Nacht gemeinsam verbracht hatten. Der Sommer versprach noch herrlicher zu werden, als er zu hoffen gewagt hatte.
    Bei den Donaueschinger Musiktagen hatte Maria seine Orchesterstücke Greed I und II mit dem Symphonieorchester des Südwestfunks Baden-Baden so erfolgreich uraufgeführt, daß sich schon am nächsten Tag der mächtige Schott-Verlag bei ihm gemeldet hatte. Ernest Bour, der Leiter des Orchesters, war krank geworden, und da sie bei der Einstudierung des komplizierten Werks mit seiner verschachtelten atonalen Reihentechnik und den permanenten 9/8-Tempi assistiert hatte, war sie die Einzige, die für den Dirigenten einspringen konnte. Joachim war von ihrem Einfühlungsvermögen und dem Verständnis für seine Musik so begeistert, daß er ihr spontan sein nächstes Projekt antrug, eine Auftragsarbeit im Rahmen der Musica viva des Bayerischen Rundfunks: Condannati – ein Oratorium nach Briefen Todgeweihter des Widerstands gegen Hitler. Als er ihr Teile der Particella zeigte, die er den Sommer über in Südfrankreich auskomponieren wollte, streckte er vorsichtig die Fühler aus, ob sie sich denn vorstellen könne, ihm beim Instrumentieren und Kopieren der Partitur zu assistieren, um das Werk schon im Stadium nascendi kennenzulernen. Im Hause seines Vaters gebe es genügend Platz. Zu seiner Überraschung hatte sie, ohne lange nachzudenken, akzeptiert.
    Er war ein Glückspilz! Er drehte die Duschhähne bis zum Anschlag auf und schwelgte unter der warmen Brause. Liebesschauer liefen ihm mit dem Wasser über den Rücken. Er würde die Fensterläden schließen, die Hitze des Tages aussperren und den ganzen Tag mit ihr im Bett verbringen. Er würde das Frühstück aufs Zimmer kommen lassen und später das Essen und

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