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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Wertheimer, aber ich glaube, ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig. Ich bin…«
    » …ich weiß, Sie sind sein Sohn. Sie können ruhig Franziska zu mir sagen.«
    » Ich habe Ihr Interview in der New York Times gelesen.«
    Franziska nickte. » Zu seinem achtzigsten Geburtstag. Viel habe ich denen über Ihren Vater aber nicht erzählt.«
    » Ja, leider. Und deshalb…«
    » …und deshalb denken Sie jetzt, Sie hätten ein Recht auf mehr?«
    Joachim zögerte. » Ja…« Bestimmt sah er jetzt aus wie ein Schuljunge, der vor Neugier platzt, aber Angst hat zu fragen. » …vielleicht die Antwort auf die Frage, wie er Sie verraten hat…«
    Erschrocken blickte sie ihn mit ihren dunklen Augen an. » Was meinen Sie mit › verraten‹?«
    » So, wie er es mit jedem getan hat, der in seinen Bannkreis geriet. Jeden, der ihm lästig wurde oder seiner Karriere im Wege stand, hat er fallenlassen, als hätte er ihn nie gekannt. Was war der Grund bei Ihnen?«
    » Da gibt es einige. Aber warum sagen Sie › verraten‹…«
    Neugierig suchte er in ihrem Gesicht jenes junge Mädchen zu entdecken, das er einmal auf einer Fotografie gesehen hatte, als er heimlich in der Schublade seines Vaters kramte, ein schmaler, schwarzhaariger Backfisch mit einem Bubikopf, der barfuß, in einem weißen, von schmalen Bändern auf den nackten Schultern gehaltenen Kleid im Gegenlicht vor einer offenen Verandatür stand. Da bemerkte er, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten.
    » Sie irren sich. Nicht mich , sich selbst hat er verraten, als er den Verlockungen der Nazis nicht widerstand. Ich, ich habe ihn geliebt…«, sie kramte ein Taschentuch aus ihrem Beutel, » …von Anfang an. Das erste Mal, als ich ihm begegnete, war ich noch ein Kind. Wir verbrachten die Sommerferien in Mähren, im Kuhländchen, und Karel…«
    » Karel? Wieso…«
    » Ach, wußten Sie das nicht? Nach dem Tod seines Vaters hat er dessen Vornamen Bohumil dem seinen beigefügt, und dann, als der Krieg zu Ende war und die Tschechoslowakei entstand, hat er beide Vornamen eingedeutscht. Aus Karel Bohumil, was soviel bedeutet wie Karl der von Gott Geliebte, wurde Karl Gottlieb und später dann, als er anfing, Karriere zu machen, Karl Amadeus– aber das wissen Sie ja.«
    » Nein, das wußte ich nicht! Ich dachte immer, der Amadeus in seinem Namen sei auch nur wieder Ausdruck seiner Hybris.«
    » Nein, Karel trug diesen Namen zu Recht. Er war wirklich ein Liebling der Götter. Ich kann es bezeugen. Ich habe ihn zum ersten Mal in einem Konzertsaal spielen hören, als ich meinen Vater nach Karlsbad zur Kur begleiten durfte…«
    Franziska hielt inne– wie lange war das her?–, dann sprach sie weiter, als wäre alles erst vor ein paar Tagen geschehen.

Karlsbad – 1917
    Es war eine schlimme Zeit gewesen. Der Krieg ging in sein viertes Jahr. Die internationale Gesellschaft, die sich in Friedenszeiten in dem mondänen Bad vergnügt hatte, gab es nicht mehr. Ihre Welt war untergegangen, ihre Söhne in den Schützengräben vor Verdun verblutet oder an der galizischen und italienischen Front gefallen. Kriegsversehrte und Krankenschwestern bevölkerten jetzt das Städtchen, aus dem längst ein einziges Kriegslazarett geworden war.
    Ihr Vater war einer der wenigen Zivilisten, die sich in diesem Sommermonat hier auf Anraten ihrer Ärzte zur Kur aufhielten. Er litt an chronischem Reizmagen und versuchte, sein Gebrechen mit Rotem Säuerling und Karlsbader Salz zu kurieren. Sie waren im Grandhotel Pupp abgestiegen, und er suchte regelmäßig eine der Thermen mit ihren Glaubersalzquellen auf. Während er entweder an den Sprudelkolonnaden mitten in der Stadt, wo die heißesten Quellen meterhoch aus dem Boden schossen, oder am Kaiserbrunnen das schwächere salzige und säuerliche Wasser zu sich nahm und sich vorsichtshalber immer in der Nähe einer der vielen öffentlichen Toiletten aufhalten mußte, spielte sie mit den anderen Kindern des Orts im nahe gelegenen Stadtpark, durch den Karl seinen kleinen Bollerwagen ziehen mußte, wenn er das Notenmaterial zum Probensaal der Kurkapelle brachte.
    Franziska erkannte den kleinen Klavierspieler sofort wieder, den sie beim Bauerntanz im Kuhländchen so angehimmelt hatte. Unauffällig folgte sie ihm. Wenn er stehen blieb und den Soldaten in ihren feldgrauen Uniformen feindselig nachstarrte, versteckte sie sich rasch in einem Gebüsch oder hinter einem Baum. Sie schlich ihm nach bis in den Probensaal, wo er die Notenblätter für das

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