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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Zufall zu überlassen und sich keine großen Sorgen mehr zu machen.

Nizza – Samstag, 16.45 Uhr
    From Lincoln Centre, K’NICK Artist Management is proudly to present a Karl Amadeus Herzog concert on the occasion of his phenomenal 80 th birthday…« Mit übereinandergeschlagenen Beinen saß Herzog währenddessen auf der Lehne eines der gepolsterten Sessel vor dem aufgetürmten Monitorenkubus in seinem Produktionsbüro. Gespannt verfolgte er das mediale Vorgeplänkel auf den Bildschirmen. Zur Halle hin stand die Tür weit offen, so daß das ganze Durcheinander an Geräuschen und Kommandos im Vorfeld des Countdowns zu ihm heraufschwappen konnte, während er auf die Stimmungsbilder starrte, die von TV-Kameras rund um das Lincoln Center eingefangen wurden. » Sie hören Anton Bruckners Achte Symphonie c-Moll, mit den Sätzen Allegro moderato, Scherzo– Allegro moderato, Adagio– feierlich langsam, doch nicht schleppend, Finale– feierlich, nicht schnell. Es spielen die New Yorker Philharmoniker unter der Leitung von Karl Amadeus Herzog.«
    Wie ein Boxer, der vom Ringsprecher angekündigt wird, sprang Herzog auf, tänzelte durch den Raum und blieb in einer Ecke stehen. Dort streckte er beide Arme aus, fixierte einen imaginären Punkt und absolvierte, wie vor jedem seiner Auftritte, ein Dutzend Kniebeugen gegen Lampenfieber. Dabei nickte er Maria und Cosmo siegessicher zu, die draußen auf der Galerie standen und ihn– im stillen Einvernehmen, nach der Generalprobe besonders sorgsam auf ihn zu achten– nicht aus den Augen ließen.
    Die kleiderschrankgroßen Eidophor-Projektoren hatten sich seit Stunden warmgelaufen, um die Viskosität des bilderzeugenden Ölfilms konstant zu halten. Ihre lichtstarken Bogenlampen projizierten die ersten Übertragungsbilder aus dem Lincoln Center gestochen scharf auf eine Großleinwand, die über die gesamte Stirnseite der Halle gespannt war. Der Konzertsaal jenseits des Atlantiks war noch leer. Aber auf dem Orchesterpodium, zwischen den Klappstühlen und Notenpulten, übertrugen Flachbildschirme dort bereits die Bilder aus der Halle, auf denen gerade noch das Lichtdouble des Maestros zu sehen war, das seit den frühen Morgenstunden, unter einer Kuppel unzähliger Scheinwerfer, den Dirigenten markieren mußte.
    Aus einer Batterie von Hi-Fi-Breitbandlautsprechern, die man rund um das Dirigentenpodium herum postiert hatte, schrillte die Theaterklingel des Lincoln Center zum ersten Mal, die das allmählich eintreffende Publikum in den Wandelgängen der Avery Fisher Hall aufforderte, die Plätze einzunehmen. Cosmo streckte seinen Kopf ins Produktionsbüro. » T minus fünfzehn Minuten! Alle Übertragungsleitungen nach New York und vice versa stehen. Dort ist es jetzt genau 10.45 Uhr. Wir werden Sie in zehn Minuten holen, Maestro! Wünschen Sie noch etwas…«
    Ungehalten winkte Herzog, ihn nicht zu stören, so sehr war er auf die Übertragungsbilder fixiert, auf denen er unter den eintreffenden Besuchern nach Franziska Ausschau hielt. Doch ein Ring aus Wasserfontänen auf der Robertson Plaza verdeckte ihm den Blick auf das Eingangsportal der Avery Fisher Hall, bis der Kameraoperator in New York ein Einsehen hatte und die TV-Kamera über die Plaza des Lincoln Center steigen ließ, so hoch, daß er die Konzertbesucher sehen, aber nicht mehr erkennen konnte, so klein kamen sie aus den U-Bahnschächten, stiegen aus Taxis oder Bussen oder spazierten zu Fuß vom Central Park die 64 th Street entlang, bevor sie den Broadway überquerten.
    Er lehnte sich zurück, bedeckte seine Augen mit der Hand, um sich auszumalen, wie es sei, wenn all diese Winzlinge plötzlich stehenblieben und wie auf Kommando in den Himmel starrten– in Erwartung seiner medialen Niederkunft, die in wenigen Minuten aus dem Orbit erfolgen sollte! So wie sie zu jenem aufgeblickt und ihm bei seinen Deutschlandflügen zugejubelt hatten, wenn er mit seiner JU 52 über ihren Köpfen kreiste, bevor er sich zu seinem Volk herabgelassen hatte. Diese großartige Propagandametapher hatte er stets vor Augen gehabt, als er sich entschlossen hatte, Bruckner aus dem Weltall zu dirigieren. Doch keiner tat ihm den Gefallen. Alle strebten ausgerichtet wie magnetisierte Eisenspäne auf das Portal des Konzerthauses zu. Seine Hand glitt kraftlos über sein Gesicht, an seinem Leib herab, plumpste halb geöffnet auf das Sesselpolster, und sein Kopf sank sachte nach vorn auf seine Brust.
    Für einige Augenblicke saß er wie leblos da, so daß

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