Augenblick der Ewigkeit - Roman
» Du hattest recht, Maria, keine Anhalter, auch wenn sie noch so lange Beine haben.«
Maria legte ihren Kopf an seine Schulter. Mit gedrosseltem Motor glitt der Silver Shadow durch ein gigantisches Amphitheater, in dem prächtige Villen auf Felsen lagerten, über Buchten, in denen sich die Wellen brachen. Am Carrefour vor Sainte-Maxime bog er auf die Schnellstraße ein, die ihn nach Nizza bringen sollte. Als der Simca ihn an der Mautstelle ein zweites Mal überholte, konnte er über die zufällige Begegnung von vorhin nur noch lachen. Vermutlich hatte ihm die Kleine das mit dem leeren Tank nur vorgespielt. » Meinst du, sie hat es getan, um es mir zu zeigen?«
» Wer? Die Kleine da drüben in ihrem roten Flitzer?«
» Nein, Johanna.«
» Was sollte Johanna gegen dich haben? Sie liebt dich.«
» Warum ist sie dann so rücksichtslos zu mir?«
» Sie wird schon kommen, wie übrigens Joachim auch.«
» Wieso bist du dir da so sicher?«
» Weil ich deine Kinder offenbar besser kenne als du.«
» Manchmal habe ich das Gefühl, du steckst mit ihnen unter einer Decke.«
Er warf ein paar Francstücke in das Gittersieb der Mautstelle. Die rot-weiß gestreifte Schranke ging salutierend hoch, und er gab Gas.
» Wenn wir nachher im Studio sind, erinnere mich daran, daß ich Cosmo bitte, die Werbeagentur und ihren Fotografen auszutauschen. Du könntest dich bei Gelegenheit bei Sipa Press nach ihrem Namen erkundigen.«
Nizza – Mittwochnachmittag
Ein Orchester ohne Dirigent geht noch zur Not, ein Dirigent ohne Orchester– das klingt nach › Des Kaisers neue Kleider‹.«
Unterdrücktes Gelächter. Herzog konnte die spöttischen Bemerkungen der Journalisten hören. Sie sprachen aber auch so laut, als hätten sie es darauf angelegt. Die Pressekonferenz am frühen Nachmittag vor der Probe in den Victorine Studios lief nicht, wie er sich das vorgestellt hatte. Er wollte der internationalen Presse doch nur eine lohnende PR-Show liefern, um sie einzustimmen auf das Satellitenkonzert in ein paar Tagen.
» Die Dame in der dritten Reihe, bitte, Madame!«
» Susan Picard, für Agence France Press. Maestro, wollen Sie sagen, das Orchester spielt in New York, während Sie es von diesem Podium aus dirigieren?«
Herzog bemühte sich um ein Lächeln. Doch bevor er antworten konnte, kam ihm abermals einer der Störenfriede zuvor. » Wie wenn der Papst an Ostern die Gläubigen auf dem Petersplatzsegnet und zu Hause gehen alle vor der Glotze in die Knie.«
Irgend etwas schien schiefzulaufen. Umzingelt von einem Halbdutzend TV-Kameras stand er im Scheinwerferlicht auf einem Podest und versuchte, die Unruhe der Techniker und Assistenten zu ignorieren, die die transatlantische Übertragung vorbereiteten.
» Ganz einfach, Madame…« Er durfte jetzt nichts Falsches sagen. Die Marketingkampagne der Japaner konnte nicht darüber hinwegtäuschen, wie schmal der Grat war, auf dem er sich mit dem Projekt bewegte. » …via Satellit, sehen Sie, so.«
Er schnipste, ohne aufzusehen, zur Regiekabine hoch, die wie die Gondel eines Luftschiffs an der Decke klebte. Ein Xenonstrahl flammte auf, und auf einer Leinwand über der gesamten Stirnseite des fußballfeldgroßen Ateliers wurden von einem lichtstarken Eidophorprojektor die Übertragungsbilder aus dem Lincoln Center in New York zugeschaltet, in dem die Philharmoniker gerade ihre Plätze einnahmen.
» Auf Knopfdruck geben sich die besten Orchester der Welt hier bald ein Stelldichein. Die technischen Details können Sie Ihrer Broschüre entnehmen. Das wird in absehbarer Zukunft zu einer Selbstverständlichkeit!«
Ungläubiges Gelächter schlug ihm entgegen.
» Lachen Sie nur.« Er tupfte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn und blinzelte. Er konnte die handverlesenen Journalisten feixen sehen. » Hat man nicht auch gelacht, als Richard Wagner sein eigenes Festspielhaus auf einen grünen Hügel setzte, genau in der Mitte des Deutschen Reichs, und die gekrönten Häupter Europas zwang, zu ihm nach Bayreuth zu kommen?«
» Die mußten ja auch nicht singen!«
Respektlose Heiterkeit einer aufsässigen Schulklasse schlug ihm entgegen. Herzog witterte Gefahr. Nolens volens stimmte er in ihr Gelächter ein, ehe er zur Besänftigung die Arme hob, um sich Gehör zu verschaffen.
» Nächste Frage, der Herr in der braunen Tweedjacke.«
» Calvin Spitzer, für Reuters: Maestro, bedeutet dieses Satellitenkonzert für Sie den Höhepunkt Ihrer Macht?«
» Musik kann niemals auf
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