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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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konnten nicht vor drei Uhr beginnen, denn vor neun Uhr früh würde Krausnik das Orchester in New York kaum disponieren können, wollte er nicht einen Krach mit den Gewerkschaften riskieren.
    » Und was war dann?«
    » Der Hofrat und ich schritten Hand in Hand wie bei einer Parade an den Kadettenformationen und ihren Instruktoren vorbei, die strammstehen mußten und in der Kälte froren. Dann wickelte er mich in eine Fuchsdecke, und zwei Apfelschimmel zogen den Schlitten mit Glöckchengeläut durch Eisenstadt. Es war wie ein Triumphzug! Du kannst dir nicht vorstellen, wie stolz ich war. Wir hielten vor der Zuckerbäckerei Ferency am Hauptplatz, und ich durfte Dobostorte essen, soviel ich wollte. Ich kam mir vor wie das arme Kind im Märchen, das von der guten Fee gerettet worden war, und heulte, überwältigt von soviel Mitgefühl, dicke Tränen auf meinen Kuchenteller. Nie werde ich den Geschmack vergessen, die süße Karamelglasur auf dem Eierteig, benetzt mit meinen salzigen Tränen. Danach wurde alles gut. Ich durfte in Wien am Konservatorium Klavier studieren und wurde von einem Privatlehrer zusammen mit der Tochter des Hauses…«
    Maria unterbrach ihn: » …das geheimnisvolle Fränzchen?«
    Herzog schaute sie unsicher von der Seite an. » Was weißt du von Franziska?«
    » Nur soviel, wie du mir von ihr erzählt hast. Und das war so gut wie nichts. Was also war mit ihr?«
    » Nichts! Wir wuchsen wie Geschwister auf…«
    » …und?«
    » Nichts und.« Er machte eine Pause, um Marias neugierigen Fragen nach Franziska auszuweichen. » Übrigens traf ich Sokolowski später noch einmal wieder.«
    » Und, konnte er sich an dich erinnern?«
    » Das war nach dem Krieg bei einer Beethoven-Matinee in Stuttgart, im Straßenbahner-Waldheim– eines meiner ersten öffentlichen Konzerte, nachdem das Auftrittsverbot von der Spruchkammer aufgehoben worden war. Kaum daß der letzte Ton verklungen war, stürmte das Publikum die Bühne. Da sah ich ihn. Ich erkannte ihn sofort, ein älterer Mann, die Delle an der rechten Schläfe war vernarbt, und sein schütteres Haar war grau geworden. Er streckte mir eine Schallplatte entgegen, die ich erst kurz zuvor mit Lassally in London aufgenommen hatte. Doch die Menge drängte ihn ab. Erst als ich aus dem Dirigentenzimmer kam, sah ich, wie er die Absperrung durchbrach und auf mich zustürzte. Zuerst dachte ich, er wolle mir an den Kragen. Doch als er vor mir stand, nahm er meine Hände und murmelte: › Nur einer kann den Ton angeben, Maestro!‹ Nicht etwa, Ihr Konzert war schön, oder die Musik hat mir gefallen. Nein: › Nur einer kann den Ton angeben!‹«
    » Dann muß er dich wiedererkannt haben!«
    » Ich war mir nicht sicher.«
    » Hast du ein Triumphgefühl dabei gehabt?«
    » In gewisser Weise schon, selbst wenn er mich nicht erkannt haben sollte. ›Nur einer kann den Ton angeben‹– das war eines der schönsten Komplimente, das er mir machen konnte…« Er unterbrach sich. » Das darf nicht sein!«
    Ein roter Simca war im Rückspiegel aufgetaucht und so dicht aufgefahren, daß sich die Stoßstangen fast berührten. Der Fahrer hupte und überholte die Limousine in einem waghalsigen Manöver. Maria ahnte, was kommen würde. » Laß doch den Spinner.«
    Sie legte begütigend ihre Hand auf seinen Arm. Doch Herzog hatte schon in einen niedrigeren Gang geschaltet und drückte aufs Gaspedal.
    » Das wollen wir doch mal sehen.«
    Ein Ruck ging durch die Limousine. Er jagte dem Sportcoupé hinterher, das es gewagt hatte, ihn zu überholen. Er schnitt die Kurven. Maria schrie. » Paß auf! Wenn einer uns entgegenkommt…«
    » …kein Mensch fährt hier um diese Zeit.«
    Maria schrie: » Das hat Grace Kelly auch geglaubt. Wann warst du eigentlich das letzte Mal in der Familiengruft der Grimaldis?« Der schwere Rolls schlingerte über den Asphalt. Sie klammerte sich an ihren Sitz und preßte die Augen zu, als weigerte sie sich, die rasende Verfolgungsfahrt am Rand des Abgrunds als etwas Reales wahrzunehmen, während Herzog mit sich überschlagender Stimme den Walkürenritt von Richard Wagner sang.
    Unvermittelt trat er auf die Bremse. Hinter einem Tunnel war der Simca auf einem Bella-Vista-Parkplatz abgestellt, und eine junge Frau stand mitten auf der Straße, mit einem Benzinkanister in der Hand, und winkte. Das konnte kein Zufall sein. Sie hatte ihre blonden Haare mit einem Frotteeband zu einer Krone hochgebunden, war barfuß und trug so kurze Shorts, daß man den Ansatz ihres

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