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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Macht beruhen, sondern einzig und allein auf künstlerischer Leistung. Erst die daraus entstandene Legitimation verleiht dem Dirigenten die notwendige Autorität, die Orchestermusiker von der eigenen Auffassung zu überzeugen und ihnen mit dem Taktstock…«
    » …den Frack vollzuhauen?«
    Wieder brachen die Journalisten in Lachen aus. » Aber nur via Satellit!« Mit ihren gezielten Zwischenrufen drohten sie, die ganze Veranstaltung zu diskreditieren.
    » Pietro Salvatore, Il Messaggero : Maestro, erklären Sie unseren Lesern: Was bedeutet es für Sie zu dirigieren?«
    Endlich eine der üblichen Routinefragen! Er antwortete so bedächtig, als hätte er sie zum ersten Mal gehört. » Man sagt, jeder Dirigent sei ein despotischer Diktator…« Er machte eine kleine Pause. » …der sich glücklicherweise mit der Musik zufrieden gibt…« Diesmal hatte er die Lacher auf seiner Seite. »…und sich bemüht herauszufinden, was der Komponist mit seiner Musik ausdrücken wollte. Es geht dabei nicht um seine, sondern um die Vorstellung des Komponisten. Er identifiziert sich mit dem, was dessen Phantasie bewegt hat, und dirigiert seine Partituren, ohne etwas wegzulassen. Er retuschiert nichts, und er über- und untertreibt nicht.«
    » Und wie vermittelt er das dem Orchester.«
    » Mit seinen Händen, manchmal auch mit Worten. Wenn ich einem Spitzenorchester sage, es soll geheimnisvoll klingen, versteht es, was ich meine. Einem weniger guten Orchester kann ich nur sagen: bitte hier lauter, dort leiser, hier schärfer, dort weicher. Im Konzert versuche ich durch zielgerichtete Bewegung des Körpers, insbesondere der Hände, in Klang umzusetzen, was der Komponist in seiner Partitur notiert hat. Die Geste für ein Crescendo zum Beispiel…«, er holte aus, fuhr langsam durch die Luft und ballte die Hand zum Ende hin zur Faust, » …ist nichts als das Sichtbarmachen der Nuance eines vielschichtigen Klangbilds durch einen körperlichen Bewegungsablauf. Ein einziges Handzeichen genügt, und das Publikum kann ein Anschwellen der Tonstärke im Orchester hören.«
    Ein Segen, daß ihm das internationale Feuilleton nicht die erste Kritikergarde auf den Hals gehetzt hatte, jenen Expertenklüngel von Großinquisitoren und Musikpäpsten mit ihrem Unfehlbarkeitsgehabe, der ihn in Salzburg, Tanglewood, Luzern oder Bayreuth oft zur Weißglut brachte. Stürzen sich ins hehre Feuer der Kunst, um anschließend das Publikum mit den kleinen Happen ihrer dehydrierten Exkremente zu füttern! Im Grunde seines Herzens verachtete er Kritiker, wiewohl er ohne ihre Unterstützung niemals geworden wäre, was er heute war. Die Hymne über sein Debüt im Berlin der dreißiger Jahre war der eigentliche Startschuß zu seiner Karriere gewesen. Vom » Wunder des jünglingshaften Herzog« raunten sie, und kometengleich war sein Stern am Berliner Konzerthimmel aufgegangen. Doch trotz ihrer Schützenhilfe waren sie für ihn Parasiten ohne Daseinsberechtigung, Analphabeten, die zwar lesen und schreiben konnten, von der göttlichen Sprache der Musik aber so gut wie keine Ahnung hatten. Erst im Laufe der Jahre hatte er es verstanden, mit der Presse auszukommen, als er sie mit seinen extravaganten Eskapaden, seinen Affären, mondänen Hobbys und Gesellschaftsskandalen fütterte.
    » Wie ist das Verhältnis zu Ihren Kollegen– Bernstein, Karajan oder Sir Georg Solti zum Beispiel?«
    » Wenn sie gut sind, bereitet mir das ein großes Vergnügen.«
    » Und wenn nicht?«
    » Bereitet mir das ein noch viel größeres Vergnügen!«
    Gelächter und Applaus. Sie waren aus auf Klatsch und gierten nach Pointen. Nein, diese Journalisten, die lieber über das Highlife an der Riviera berichteten als über ernste Kunst, konnten seinem Projekt nicht mehr gefährlich werden.
    An der Eingangsschleuse zum Studio kam Unruhe auf. Eine verspätete Fotografin, die ihre Kameras nicht abgeben wollte, begehrte lautstark Einlaß, obwohl im Atelier strengstes Fotografierverbot herrschte. Herzog machte Cosmo, seinem Sekretär, der wie ein Leibwächter hinter ihm stand, ein Zeichen, sich der Sache anzunehmen und dann die Veranstaltung zu beenden.
    » Okay, Leute! Letzte Runde, falls noch einer eine Frage hat.«
    » Beat Keller von der Weltwoche : Welche Bedeutung hat für Sie die Musik, Maestro?«
    » Leider fehlt mir hier die Zeit, Ihnen meine Lebensgeschichte zu erzählen! Deshalb werde ich mich kurz fassen.« Er schraubte das Mikrofon vom Stativ und bahnte sich, von den Kameras verfolgt,

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