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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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einen Weg durch die Journalisten, die ihm ihre Diktiergeräte entgegenstreckten. » Musik ist für mich eine mit dem Göttlichen verbundene Macht, die, in die Hände des Dirigenten gelegt, keinerlei Widerspruch duldet.« Mit dem Taktstock diktierte er ihnen seine Stakkatosätze in ihre Kassettenrecorder. » Um den Glanz und die Schönheit, die jeder klassischen Musik innewohnen, zum Leuchten zu bringen, darf nichts dem Zufall oder der Improvisation überlassen werden. Alles muß sorgfältig vorausgeplant und geprobt worden sein, um die höchste Qualität, den schönstmöglichen Klang, die stimmigste Harmonie zu erreichen, damit Musik ihre inhärente Schönheit voll entfalten kann.«
    Er legte Wert auf Genauigkeit. Denn was er verkündete, war sein Credo, und er ließ kaum eine Gelegenheit aus, es herzubeten, um sich gegen seine Kritiker zu wehren. Was hatten sie ihm nicht alles vorgeworfen. Seine Musik sei Schönheit ohne Form, Klang ohne Bedeutung, Macht ohne Vernunft, Pathos ohne Seele. Wollten sie oder das Publikum es etwa lieber häßlich?
    » Und wenn die Technik uns jetzt erlaubt, in nicht gekannte Dimensionen vorzustoßen, dann ist es unsere Pflicht, die damit verbundenen neuen Möglichkeiten auszuloten. Alles andere ist Stillstand in der Kunst. Erinnern Sie sich nur, wie mit der Ablösung der altgedienten LP durch die CD vor ein paar Jahren eine wahre Hi-Fi-Renaissance einherging, die die klassische Musik in höchster Perfektion einem bis dato undenkbar großen Publikum nahebrachte.«
    Was er verschwieg, war, daß er einen enormen Reibach gemacht hatte, als er sein gesamtes Repertoire daraufhin noch einmal digital einspielen konnte, Hunderte über Hunderte von Scheiben, die rotieren und klingen würden, solange die Menschheit klassische Musik hörte.
    » Und zuletzt die Krönung, die Verschmelzung von CD und Video zur Laserdisk, die die Musik zum ersten Mal nicht nur hörbar, sondern auch sichtbar macht.«
    Eine Entwicklung der Japaner, die zwar noch in den Kinderschuhen steckte, aber ein ungeheures Potential in sich barg. Als er davon erfahren hatte, bekam er eine Gänsehaut. Mit dieser neuen Technik konnte er seinen Lebenstraum verwirklichen, konnte er nicht nur Opern und Konzerte, sondern sich selbst und sein eigenes Dirigat in den Mittelpunkt des Geschehens rücken. Endlich war es möglich, dem Dirigenten auch optisch den ihm gebührenden Platz zuzuweisen und für die Nachwelt aufzuzeichnen. Er mußte nicht mehr im Orchestergraben versteckt oder mit dem Rücken zum Publikum agieren, sondern konnte im Zentrum des Geschehens sowohl den Orchestermusikern als auch den Zuhörern und Zuschauern gestisch demonstrieren, wie das jeweilige Werk mit seinen inneren Spannungen, seinen verborgenen Motiven, seiner komplizierten Dynamik und seinem polyphonen Klang gebaut war. Herzog lief ein Schauer über den Rücken. Die Feuilletons hatten recht: Er hatte als universeller Musikvermittler den Zenit seines Schaffens erklommen.
    » Und nunmehr wagen wir uns also noch einen Schritt weiter, ergreifen die faszinierende Möglichkeit, die uns die Satellitentechnik eröffnet.«
    » Ich kann mir kaum vorstellen, daß Sie bei Ihrer Session mit den Jungs da oben auf der Leinwand so richtig warm werden!«
    Herzog stutzte. Er hatte die Stimme sofort wiedererkannt.
    » Mademoiselle?– Mademoiselle!!«
    Aus dem ungepflegten Hippiemädchen von vorhin war eine gepflegte junge Frau geworden, in einem luftigen Leinenkostüm und hochhackigen Pumps, die ihre Beine noch länger wirken ließen, als sie ohnehin waren.
    » Mademoiselle, ich kann verstehen, daß Sie auf mich nicht gut zu sprechen sind, aber vielleicht kommen Sie nach der Probe mal in mein Büro.«
    » Okay…« Die junge Fotografin nahm ihren Kaugummi aus dem Mund, klebte ihn sich auf den Bügel ihrer Sonnenbrille. » …aber vorher müssen Sie noch meine Frage beantworten, Monsieur Herzog.«
    » Mit Vergnügen.« Er verbeugte sich. » Könnten wir sie bitte noch einmal hören?«
    » Betsy Dunn, für Sipa Press. Ich bin kein Musikprofi wie die Kollegen hier, aber ich spiele manchmal Saxophon in einer Amateurkapelle. Wenn Sie mit Ihren Jungs jenseits des Atlantiks musizieren, ohne sich die Füße naß zu machen, wo bleibt das Feeling, der persönliche Kontakt?«
    Herzog nickte zufrieden. Der Zwischenruf zum Ende der Pressekonferenz kam ihm gerade recht.
    » Was Sie meinen, ist die Interaktion zwischen Interpret, Raum, Komposition und Publikum, der edelste und vielleicht heikelste

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