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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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hatte ihr langes Haar einer Bubikopffrisur geopfert und sah mit ihrem ausrasierten Nacken aus wie ein verletzlicher, zarter Knabe. Erinnerungen an das Ende ihrer Kindheit wurden wach, Erinnerungen an Gefühle, die sie in ihrer Unschuld noch nicht kannten, vielleicht aber schon ahnten. Es war ein kurzer, aber heftiger Tagtraum, von so überwältigender Wucht, daß ihm die Tränen in die Augen schossen. Die Sehnsucht nach Franziskas körperlicher Gegenwart war so übermächtig, daß er sein Klavierspiel unterbrach und verloren in das Objektiv der Kamera blickte.

Im Lincoln Center – zur selben Zeit, 9 a.m.
    Joachim, auf der anderen Seite des Atlantiks, erschrak, wie gebrechlich sein Vater geworden war. Ein alter Mann, der mit den Zähnen mahlte und hilflos von der Leinwand auf seine Philharmoniker herunterstarrte. Ahnte er, daß Franziska und er sich heimlich in die Generalprobe geschlichen hatten?
    Sie hatte in aller Frühe an seiner Tür geklingelt und ihn aus einem alptraumhaften Schlaf gerissen: Im Scheinwerferlicht eines heranrasenden Autos stand ein nackter Mann. Er hatte die Arme wie zur Abwehr ausgestreckt. Doch er konnte den auf ihn zurasenden Wagen nicht aufhalten. Joachim schrie– und wachte schweißgebadet auf. Die Haustürklingel schepperte, und neben ihm kauerte das nackte Mädchen mit dem gymgestählten Bauch, schreckensbleich und mit aufgerissenen Augen, die Marionettenpuppe schützend an die Brust gepreßt.
    » Honey, was du dringend brauchst, ist ein Shrink, so wie du deine Nacht verbringst!«
    Er war aus dem zerwühlten Bett gesprungen, hatte die Vorhänge zur Seite gerissen und das Fenster geöffnet. Er lehnte sich hinaus und rang nach Luft. Er hatte in der Nacht zu viel getrunken. Sein Kopf dröhnte. Woran er sich noch erinnern konnte, war, daß er Maria angerufen hatte. Danach waren er und das Mädchen durch die Kneipen gezogen. Sie hatten sich im Twenty-seven Sandwiches bestellt, das Roastbeef aus den Broten herausgezogen und sich gegenseitig damit gefüttert. Dazu hatten sie Dosenbier getrunken. In seinen Ohren hämmerte immer noch der Beat, zu dem sie anschließend in einem Nachtklub getanzt hatten, mit viel zu vielen Transvestiten, ekelhaften Punks und bleichen Studentinnen vom nahen N.Y.U. -Campus mit ihrem klassischen Wasp-Aussehen, die halbnackt auf den Tischen rockten. Irgendwelche Kiffer ließen großzügig ihren Joint kreisen. Danach war er in einem Sumpf versunken.
    Das Morgengrauen hatte ihn gepackt, der Kater hielt ihn fest in seinen Krallen. Er wagte nicht, sich umzudrehen, dem Untier ins Gesicht zu sehen. Er beschloß, am Fenster stehenzubleiben und ihm für immer den Rücken zuzukehren. Sein Magen revoltierte. Das Scheppern der Klingel zerrte an seinen Nerven, zumal die Person im Treppenhaus mit etwas Hartem gegen die Appartementtür schlug.
    » Ist denn niemand zu Hause?«
    Franziskas Stimme! Er hatte sie sofort erkannt. Mit einem Mal war er stocknüchtern.
    » Joachim, sind Sie schon wach?«
    Er starrte auf die Kette und das Vorhängeschloß, mit denen die Appartementtür gesichert war, und dann auf die Bücherberge, das ungespülte Geschirr, die Sonntagsausgabe der New York Times, die über das Zimmer verstreut war, und auf das nackte Mädchen, das im Bett hockte wie eine angeknabberte Maus.
    Franziska hämmerte gegen die Tür. » Joachim, machen Sie auf, wir müssen uns beeilen!«
    Er zog seine Jeans aus einem Kleiderhaufen und schlüpfte hinein. » Tut mir leid, aber ich kann Sie nicht hereinlassen.«
    » Meinen Sie, ich wüßte nicht, wie es in einer Junggesellenbude aussieht? Hören Sie! Die Probe beginnt in einer halben Stunde, und ich weiß auch schon, wie wir an den Sicherheitskontrollen vorbeikommen…«
    Er öffnete. Sie stand mit zwei Geigenkästen vor der Tür, von denen sie ihm einen hinstreckte.
    » …und zwar damit!«
    Von dem Mädchen, das sich hastig ihren Fummel überstreifte, nahm sie kaum Notiz. Joachim war ihr dankbar. Er steckte ihm ein paar Dollarnoten zu und gab ihm einen Abschiedskuß.
    » Netter Kumpel. Ihre Verlobte?«
    Joachim kam mit naß gekämmten Haaren aus dem Badezimmer. » Kollegin. Spielt die Baßgeige! Woher haben Sie eigentlich meine Adresse?«
    » Aus dem Telefonbuch. Unter dem Mädchennamen Ihrer Mutter. Joachim Thennbergen.«
    Sie drückte ihm einen der beiden Geigenkästen in die Hand.
    » Und was soll ich damit?«
    » Werden Sie schon noch sehen. Den Trick hat mir Ihr Vater beigebracht.«
    Am Bühneneingang des Lincoln Center hatten

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