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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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meinem Abgang ein paar versöhnliche Worte gefunden.«
    Sie zog ihre Schuhe und Strümpfe aus und ließ die nackten Füße im Wasser baumeln. » Es war ihm ziemlich peinlich. Damit hast du ihm das ganze Wochenende vermasselt!«
    » Nicht meine Schuld! Sein Überraschungsgast war vor Begeisterung doch eingeschlafen.«
    » Ich weiß nicht, Karel. Und wenn es seine Art war, sich zu konzentrieren? Mir schien er ziemlich beeindruckt von dir zu sein.«
    » Woher weißt du das?«
    » Es kam mir so vor, als er und Papa sich auf der Terrasse über dich und das Konzert unterhielten…«
    » Das ändert auch nichts mehr. Papa hätte mich nicht zwingen dürfen, für ihn zu spielen. Ich hatte ihn angefleht, aber er bestand darauf.« Er setzte sich auf und legte seinen Arm um ihre Schulter. » Wenn ich nur selber wüßte, was das alles für einen Sinn haben soll. Dabei wünschte ich mir, wirklich gut Klavier spielen zu können. Aber wenn ich stundenlang am Flügel übe oder vor Publikum spiele, wie heute abend, frage ich mich nach kurzer Zeit– was tue ich eigentlich da? Und dann ist alles wie blockiert…«
    Er machte eine Pause. Der Wind war abgeflaut. Kein Schilfhalm regte sich, und auch die Wellen, die eben noch gegen das Bootshaus geschwappt waren, hatten sich beruhigt. Es war die Ruhe vor dem Sturm. Er machte eine wegwerfende Handbewegung und fuhr fort wie zu sich selbst. » …was macht es schon für einen Unterschied, ob man eine Sache gut macht oder schlecht, ob man versucht, seinen eigenen Ansprüchen zu genügen, egal, ob man Beethoven spielt oder Tanzmusik.«
    » Pscht!« Franziska legte ihren Finger auf seine Lippen. » Sei nicht so verzweifelt, Karel. Du machst mir angst.«
    Er nahm ihre Hand und streichelte über die Innenfläche. » Alles, was ich tue, kommt mir so sinnlos vor.«
    Franziska nickte. Sie mußte an gestern abend denken, an ihre Beklommenheit kurz vor dem Einschlafen. » Man kriegt keine Luft und glaubt, ersticken zu müssen.«
    » Woher weißt du das?«
    » Mama sagte, es kommt vom Wachsen.«
    » Mir ging es so in einem Kino auf dem Würstelprater. Die Menschen auf der Leinwand zappelten wie Ameisen, und der Mann am Klavier spielte › Isoldes Liebestod‹ dazu. Als ich in die Gesichter der Zuschauer blickte, wie sie auf die Leinwand starrten, überkam es mich zum ersten Mal. Ich rannte aus dem Kino und mußte mich übergeben. Draußen wurde es nicht besser, eher noch schlimmer. Die Menschen auf dem Würstelprater wuselten zwischen den Buden, überdreht wie auf der Kinoleinwand, während meine Gangart immer langsamer wurde, bis zur Unbeweglichkeit.«
    » Ich weiß. Es ist ein Gefühl wie, wie…« Sie suchte nach Worten, um zu beschreiben, was mit ihr passiert war. » …man lebt nicht wirklich. Man träumt nur, daß man lebt.«
    » Ja. Und wenn es vorüber ist, kann man es kaum beschreiben. Man erlebt sich, als gehörte man nicht dazu, und ist doch gleichzeitig ein Teil davon, wie in verschiedenen Aggregatzuständen…«
    » …als wechsle man von dem einem in den anderen.«
    » Es ist verrückt, du spielst Klavier und schaust dir zu dabei. Wie kann man denn da weiterspielen?«
    Franziska legte ihr Kinn auf seine Schulter und berührte mit ihrem Mund fast sein Ohr.
    » Dann hast du also gar nicht wegen ihm aufgehört?«
    » Sagen wir mal– wie er so dasaß, das hat mir den Rest gegeben.«
    Sie legte ihre Arme um ihn und blickte auf den See hinaus. Ein Windstoß fuhr übers Wasser und wühlte gischtsprühende Wellen auf, fegte durch die Baumkrone der Kastanie hinter dem Bootshaus, die lauter rauschte als die Wellen, und bog die schlanken Stämme der Pappelallee. Dann explodierte ein Blitz und hing für den Bruchteil von Sekunden wie eine silberne Riesenwurzel mit vielfach sich verzweigenden und verästelnden Feuerschnüren über ihnen. Franziska duckte sich erschrocken, während Karl laut zählte.
    » Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig–«
    Bei » vierundzwanzig« folgte ein so gewaltiger Donnerschlag, daß sie einen Schrei ausstieß und sich noch enger an ihn klammerte. Karl legte schützend seine Hand auf ihren Kopf, hielt ihn an seine Brust gepreßt und tauchte sein Gesicht in ihr Haar.
    » Du brauchst keine Angst zu haben, Fränzchen. Das Gewitter ist noch eineinhalb Kilometer entfernt. Komm schnell ins Bootshaus, bevor es anfängt zu regnen.«
    Er sprang auf, nahm ihre Hand und zog sie hoch. Ein zweiter Blitz schlug in den See und blieb für eine winzige Ewigkeit wie eine

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