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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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den Überraschungsgast. Hingegossen lag sie auf ihrem Diwan und fixierte ihn durch ihr Pince-nez, während er in seinem Sessel lehnte, den Ellbogen aufgestützt, und Zeige- und Mittelfinger so an die Schläfe gepreßt, daß die Haut über der Wange gestrafft und wie ein Waschbrett indie Stirn geschoben wurde. Er hatte die Augen geschlossen,und es kam ihr vor, als wäre er doch tatsächlich eingeschlafen.
    Franziska war so indigniert darüber, daß sie ihn am liebsten laut zur Ordnung gerufen hätte. Sie richtete sich auf, blickte strikt in seine Richtung und räusperte sich vernehmlich. Als sie spürte, wie daraufhin Karls Augen ihren empörten Blicken folgten, errötete sie und machte sich rasch wieder klein. Doch die Katastrophe, die sie damit ausgelöst hatte, nahm bereits ihren Lauf. Karl brach mitten in der Passage ab, klappte den Flügel zu, stand auf und verbeugte sich knapp. Der Hofrat deutete mit vorwurfsvoller Geste auf die Partitur.
    » Aber Karl! Das Stück ist doch noch nicht zu Ende…«
    Karl reagierte nicht. Er bahnte sich einen Weg durch die Stuhlreihen, ohne seine perplexen Zuhörer eines Blickes zu würdigen. Die, die eingenickt waren, schreckten durch die plötzliche Stille auf. Keiner wagte, in die Hände zu klatschen.
    » …bitte setz dich wieder hin und spiel weiter. Karl!«
    Wort- und grußlos verließ Karl die Bibliothek. Die Terrassentür fiel ins Schloß. Dann herrschte Schweigen. Der Hofrat sah ihm sprachlos nach, breitete beide Arme aus und zuckte ratlos mit den Schultern. Keiner wagte aufzustehen. Nur Franziska hielt es nicht länger auf ihrem Stuhl. Sie quetschte sich durch ihre Reihe und folgte Karl in den Garten.
    Über dem See braute sich ein Gewitter zusammen. Wetterleuchten stanzte die Pappelallee wie einen Scherenschnitt aus dem Nachthimmel, und man konnte für den Bruchteil von Sekunden sehen, wie sehr der Wind am gegenüberliegenden Ufer die Wasseroberfläche aufgewühlt hatte. Die aufkommende Eilung wehte die ersten dicken Regentropfen über die Apfelbäume des Obstgartens. Sie platschten auf die noch sonnenwarmen Sandsteinplatten der Terrasse und verdunsteten im Nu. Die aufsteigende Feuchtigkeit hinterließ auf Franziskas Zunge einen herben, metallischen Geschmack.
    Als sie den Kiesweg hinunterlief, hörte sie aus der Bibliothek noch die belegte Stimme ihres Vater, der sich bei seinen Gästen für Karls Benehmen entschuldigte, daraufhin ein bedauerndes » Oh, wie schade« und trotz der allgemeinen Enttäuschung einen kräftigen Schlußapplaus.
    Am Ende des Gartens blieb sie stehen und blickte zurück. Die Gäste waren aufgestanden, hatten sich Zigarren angesteckt und ihre Gläser nachfüllen lassen. In kleinen Grüppchen standen sie in den erleuchteten Fenstern der Bibliothek und steckten ihre Köpfe zusammen. Da trat Papa mit dem Überraschungsgast auf die Terrasse. Sie versuchte, etwas von ihrer Unterhaltung aufzuschnappen, aber der Wind wehte schon so stark vom See herauf, daß sie nur ein paar Wortfetzen wie » …grandios begabt«, » vielleicht ein bißchen zu exzentrisch…« und » große Karriere, wenn er nur nicht… « aufschnappen konnte. Nur nicht, was? Neugierig wollte sie sich näher schleichen. Da tauchte Mama auf der Terrasse auf und entführte ihren Doktor Wilhelm in den Salon.
    Elektrizität lag in der Luft. Franziska spürte es deutlich an der Art, wie sich die Härchen auf ihren Unterarmen aufrichteten. Sie tastete sich an dunklen Sträuchern entlang. Das Wetterleuchten half ihr, den geheimen Pfad zu finden, der hinter einer Brombeerhecke durch ein schief hängendes Gartentürchen den Weg zum See hinunter abkürzte.
    Sie fand Karl hinter dem Bootshaus auf dem Steg in einer Art Reptilienstarre. Er lag auf dem Bauch, ein Arm hing herunter, so daß seine Fingerspitzen die Wasseroberfläche berührten. Begleitet von fernem Donnergrollen, trieb der Wind gekräuselte Wellenfronten wie Perlenschnüre vor sich her. Die Schilfgräser raschelten, und das Wasser schwappte immer heftiger gegen die Bootshausplanken. Als sie sich neben ihn setzte, erwachte er wie aus einer Trance.
    » Was machst du hier, Fränzchen? Hast du keine Angst mehr vor Gewittern?«
    Franziska biß die Zähne zusammen und schüttelte tapfer den Kopf. » Nicht, solange du in meiner Nähe bist.«
    Karl rollte sich auf den Rücken, verschränkte die Hände in seinem Nacken und starrte in die Wolkenwand am anderen Ufer, in der es wie in einem Ofen brodelte und zuckte.
    » Ich hoffe, Papa hat nach

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