Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
Falkenhaus zum Seeufer hin abfiel.
    » Karel!«
    Er befestigte ein Stück Hühnerleber an einem Lederball mit aufgenähtem Flügelpaar und wartete, daß Táta einen der aufgehaubten Beizvögel aus dem Falkenhaus trug, um ihn für die Rebhuhnjagd am nächsten Morgen fit zu machen. Der Falkner löste die Langfessel an den Enden der Geschühriemen und nahm dem Falken die Haube vom Kopf.
    » Papa erwartet dich in seinem Arbeitszimmer.«
    Karl reagierte nicht auf ihren Zuruf. Er rannte mit dem Federspiel wie mit einem Winddrachen die Wiese hinunter und ging hinter einer Steinmauer in Deckung. Der Körper des Falken zitterte vor Erregung, und seine Augen fixierten das fingergroße Stück Lockfleisch, viel zu klein, um ihn für die Beizjagd in der Morgendämmerung satt und faul zu machen. Táta stieß einige kehlig schnatternde Laute aus und ließ den Falken steigen. Der warf sich dem Himmel entgegen, steilte auf und stürzte sich wie ein Stein mit angelegten Flügeln auf den Lederball. Während er das Stückchen Hühnerleber kröpfte, faßte Karl die Geschühriemen und zog sie straff. Leise schnalzend brachte er den Falken dazu, auf seinen gepolsterten Lederhandschuh überzuwechseln, und trug ihn an Franziska vorbei zurück zum Falkenhaus.
    » Hast du nicht gehört, Papa erwartet dich in seinem Arbeitszimmer.« Sie folgte Karl in die Voliere.
    » Wie leicht er ist…« Er setzte dem Falken eine Haube auf und ließ ihn von seinem Handgelenk auf die Reck wechseln. » …kaum schwerer als ein Wollknäuel.«
    Er streckte ihr seinen Falknerhandschuh hin. » Willst du ihn auch mal halten, Fränzchen?«
    Franziska preßte sich ihr Taschentuch vors Gesicht. Der beißende Gestank nach verwestem Aas, nach Kot und Ammoniak stieg ihr in die Nase.
    » Franziska, für dich!« Karl schaute sie unsicher an.
    » Was ist denn los mit dir?«
    » Nichts, was dich interessieren dürfte, Karl Gottlieb.« Es war das erste Mal, daß sie seinen eingedeutschten Vornamen benutzte. » Ich an deiner Stelle würde Papa nicht warten lassen!«
    Karl stieß einen tiefen Seufzer aus, in dem die ganze Last seiner verfahrenen Lage lag. » Warum kann Papa mich nicht in Ruhe lassen.«
    Franziska kraulte die weiße Brust des aufgehaubten Wanderfalken, der ein winselndes Geräusch von sich gab und mit seinen Krallen scharrte.
    » Weil du wie diese Luxustiere dem gehörst, der sie abgerichtet hat!« In ihren Augen lag die Bereitschaft zu einem Wortgeplänkel.
    » Abgerichtet ist der richtige Ausdruck für das, was er von mir verlangt!«
    » Was verlangt er schon von dir? Er will mit dir das Abendprogramm besprechen.« In ihre Stimme hatte sich Spott genistet.
    » Darum geht’s ihm in Wirklichkeit doch gar nicht! Papa hat mir beim Frühstück mitgeteilt, daß ich mit den Wiener Symphonikern im Musikverein auftreten soll.«
    » Wie schön für dich!« Sie gab sich keine Mühe, ihren Sarkasmus zu verbergen.
    » Er hat auch schon das passende Stück dafür ausgesucht. Er entscheidet einfach über meinen Kopf hinweg. Das Klavierkonzert in g-Moll von Saint-Sa ë ns soll es sein. Es enthalte alles, was ein junger Pianist brauche, um Eindruck zu machen, meinte er, ein Ranschmeißer, mit großen virtuosen Stellen, besonders gegen Ende hin. Das heißt, in den Sommerferien wieder nichts als üben. Er will, daß ich dem Dirigenten vorspiele, um ihm keine Schande zu machen. Du siehst, wie recht du hast. Er will sich vergewissern, wie gut ich abgerichtet bin.«
    » Ach, deshalb hat sich für den Abend dieser Überraschungsgast angekündigt.«
    » Was denn für ein Überraschungsgast?«
    » Hat Papa nicht verraten. Nur soviel: Er ist groß und schlank und soll ein Frauenliebling sein.«
    Der Deckel des Flügels stand offen. Die goldene Lyra mit den kupferfarbenen Stahlsaiten spiegelte sich im schwarzen Lack. Seine Hände hieben in die Tasten und brachten Töne hervor, laut wie Donnergrollen. Karl schwebte über seinem Hocker und hämmerte vielfingrige Akkorde in die Klaviatur. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er spielte mit seinem ganzen Körpergewicht und vollem Fingerdruck, wobei Arme und Hände auf und nieder gingen wie die Hälse hastig trinkender Schwäne.
    Franziska litt mit ihm, obwohl sie vorher fest entschlossen war, ihn mit Nichtachtung zu bestrafen und sich nicht von seiner pianistischen Bravour beeindrucken zu lassen. Als sie jedoch miterlebt hatte, wie seine Knie nachgaben und er sich fast übergeben mußte, als er den hageren Wilhelm Furtwängler aus dem Maybach

Weitere Kostenlose Bücher