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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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Gebüsch. Ihre Gesichter waren breit und hatten die Farbe ihrer Kleidung.
    Sie hielten Pfeile auf mich gerichtet. Aber gleichzeitig sahen die Männer aus, als hätten sie auf mich gewartet.
    »Jó van«, sagte ich. Das war das Losungswort. Ich hatte es mir auf dem ganzen weiten Weg immer wieder vorgesagt, so einfach es auch schien: Jó van. Es ist Ungarisch und heißt auf Deutsch: Es ist gut.
    Aber was war gut?
    Sie nahmen mich auf meinem Pferd in ihre Mitte.
    So führten sie mich zu Horca Bulcsu, ihrem Anführer.
    Gebrüll, Qualm, Getümmel. Ein Trupp Ungarn wurde zum Sturm getrieben, unter Schreien und dem Klatschen von Hieben. Sie waren kahlköpfig, wilde Stoppeln im Gesicht - manche hatten Bärte. Wie schlecht sie geschützt waren! Abgerissene Wämser aus Leder, keiner hatte irgendeine Panzerung, gelegentlich trugen sie hohe Leder- oder Fellmützen, aber keiner schützte sich mit einem Helm aus Eisen. Sie führten Wurfspieße, die ihnen auf der Leiter und auf der Mauer wenig helfen konnten. Noch weniger halfen ihnen ihre Bögen und die Pfeile in den umgehängten Lederköchern. Auch mit ihren gebogenen Säbeln und ihren Äxten konnten sie auf den Leitern nicht sehr viel ausrichten.
    Ich sah sie herabfallen wie reife Früchte.
    Dagegen war ihr Anführer Horca Bulcsu, vor den ich geführt wurde und vor dem ich vom Pferd sprang, prächtig gekleidet. Gold war an seinem Helm, Gold war auf seinem Gewand und an der Scheide seines Säbels; sein Gürtel war ein kunstvolles Geflecht aus Leder und Gold. Sein Mantel aus schwerer Seide bewegte sich leicht im Wind. Sein Gesicht war fremdartig, dunkel und breit. Er trug einen schwarzen, eigenartig geschnittenen Bart, graue Strähnen waren darin. Seine grauschwarzen Haare unter dem reich verzierten Helm fielen ihm auf die Schultern. Seine Mundwinkel waren nach unten gekrümmt. Ich konnte ihn voller Herzklopfen betrachten, während er noch mit den Reitern redete, die mich zu ihm geführt hatten.
    Er sah mich während der ganzen Unterredung nicht ein einziges Mal an.
    Ich stand voller Ehrfurcht und Entsetzen - nicht nur weil der Anführer die Stellung eines Königs hatte, sondern weil er ein Gesandter Gottes war, einer, der dabei war, eines der Siegel vom Buch der Welt zu lösen. Zwar wusste der Fremde davon nichts und dennoch -
    Es gelang mir nicht, seine Hand zu küssen. Er entzog sie mir und hob sie dabei leicht an, als wolle er mich schlagen. Einer der Männer übersetzte. Es war mir aufgetragen worden, die Gründe meines Herrn für seinen Verrat anzugeben. Aber Horca Bulcsu winkte ungeduldig ab.
    So sagte ich ihm meine Botschaften, wie es mir befohlen war: den Zeitpunkt, zu dem König Otto vor Augsburg eintreffen, die Richtung, aus der er kommen würde, die Anzahl seiner Reiter und seine Schlachtordnung.
    Horca Bulcsu stellte mit bellender Stimme noch einige Fragen, die mir übersetzt wurden: Wo sich Berthold von Reisensburg auf-halte, welche Stämme der Deutschen meinem Herrn folgten und welche nicht.
    Ich antwortete, so gut ich konnte, und schwang mich wieder auf mein Pferd.
    Dann sah er mir zum ersten Mal direkt in die Augen, seine Stimme blieb gleichgültig: »Hängt ihn auf!«, befahl er auf Deutsch und wandte sich ab.
    Das Herz setzte mir aus, ich begann am ganzen Leib zu zittern und konnte nichts dagegen tun: Der Tod! Meine Hände wurden nass und konnten die Zügel nicht mehr halten.
    Sterben, das war nichts Schlimmes für mich gewesen, hatte ich mir eingeredet. Aber jetzt -
    Jetzt grinste der Tod plötzlich aus dem blauen Sommerhimmel, aus den Qualmwolken, die sich vor mir erhoben. Er starrte mich an aus den gelblichen Gesichtern der beiden Ungarn, die mir nun die Zügel entrissen und mein Pferd wegführten, auf dem ich hilflos saß.
    Ein gellender Pfiff. Die beiden packten mich, zogen mich vom Pferd, drehten mir die Hände auf den Rücken und banden mich sehr hart mit einem Lederriemen. Sie schauten sich suchend um. Einer drückte mich mit eisernem Griff im Genick nach unten und zwang mich zu Boden. Ich sah halb besinnungslos vor Angst mit schrägem Blick, wie der andere eine Schlinge von seinem Gürtel löste. Dann plötzlich Pferdegetrappel. Geschrei, Pfiffe nah und fern. Gellende Hornsignale. Die Belagerung löste sich auf. Sie ritten König Otto entgegen.
    Mein Werk -
    Die beiden hielten inne und schrien aufeinander ein, zeigten aufgeregt auf mich, dann wieder auf die Pferde und Reiter, die vorübergaloppierten, in eine wachsende Staubwolke gehüllt.
    Ich lag

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