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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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langsam der Schwarzwald aus dem morgendlichen Dunst, weit im Südosten. Ein Schwarm Krähen wurde durch die Reiter aus einer Gruppe von Pappeln aufgescheucht, und ihr Geschrei begleitete sie noch lange.
    Luithard sah die vermummten Gestalten, mit denen er ritt. Da waren die anderen Knechte - kaum ein Dutzend, nicht ausreichend, um einen wirklichen Feind vom Kern der Gruppe fern halten zu können, zu dessen Schutz sie ausgewählt worden waren: Der König ritt neben Königin Bertha und hielt seinen Sohn Konrad, der noch nicht ganz drei war und dennoch bereits als künftiger König feststand, vor sich auf dem Rist des Pferdes fest umschlossen. Sonst war fast nur am Zaumzeug zu erkennen, wer die Königin war und wer der König, so sehr waren alle vermummt. Die Königin war kaum zu unterscheiden von ihren Mägden.
    Ich reite mit einem Gebannten!, dachte Luithard. Es ist wie auf einer Flucht - es ist eine Flucht! Alle sind wir gebannt. Unter den Hufen seines Pferdes splitterte und krachte das Eis.
    Immer deutlicher schälten sich links die Mauer des Schwarzwalds und rechts die Mauer der Vogesen aus dem Morgendunst. Wie Eisen schimmerten die gefrorenen Rheinarme. Und wieder Schwärme von Krähen.
    Am zweiten Tag - sie hatten die Nacht in einem Kloster verbracht, das dem König noch die Treue hielt - hörte Luithard den König zum Anführer seiner Leibwache sagen: »Sie bewachen alle Wege in Oberschwaben, die zum Splügen oder zum Brenner führen. Aber wir reiten über Burgund und Savoyen - da können sie warten, bis sie schwarz sind.«
    Erst jetzt wusste Luithard, dass sie nach Italien ritten.
    Nach Rom? Zu Papst Gregor VII., der seinen König abgesetzt und gebannt hatte? Papst Gregor -
    Luithard dachte an seinen Bruder.
     
    Es war vor wenigen Wochen bei der Begräbnisfeier seines Vaters geschehen, Luithard war nach einigen Jahren zum ersten Mal wieder im väterlichen Haus, in dem nun sein Bruder mit seiner Familie wohnen würde. Er dachte mit Schaudern daran, wie zur Einsegnung des Toten die Gläubigen in der kleinen Kirche versammelt waren: Nicht der gewohnte Leutpriester war vor die Gemeinde getreten, sondern ein Mönch in einer schwarzen Kutte, mit grimmigem Gesicht.
    Alle fragten sich: Was ist mit unserem Priester?
    Der Mönch hatte sich tief auf den Altar herabgebeugt und die brennenden Kerzen ausgeblasen; dann hatte er König Heinrich feierlich verflucht: »Wer dem König dient«, hatte der Mönch mit ausgestreckten Armen gerufen, »muss ihn verlassen! Auf wen sich der König verlässt - der muss ihn verraten! Sonst holt auch ihn der Teufel, wenn er stirbt!«
    Sein Bruder hatte sich ihm zugewandt und ihm ins Gesicht gesehen.
    Die Menschen waren ratlos heimgegangen. Doch niemand war so ratlos wie er, Luithard, denn niemand sonst in der ganzen Gemeinde diente dem König in Person.
    Noch in brüderlichem Einvernehmen saßen sie daheim beim Leichenschmaus, aber sein Bruder war seltsam einsilbig gewesen.
    Auch er selbst war unsicher. Er hatte dennoch mit den Kindern getobt.
    Plötzlich waren Bewaffnete im Dorf, angeführt von vier Mönchen in schwarzen Kutten aus dem nahe gelegenen Kloster, an dessen Kirche der Vater gearbeitet hatte und jetzt der Bruder arbeitete. Luithard war vor das Haus getreten - er wollte die Waffen der Männer mustern. Sie trotteten in ihren Kettenhemden und mit ihren Spießen zum Haus des Leutpriesters, den man den ganzen Tag nicht gesehen hatte.
    Einer der Waffenknechte führte sogar eine Armbrust. Luithard hatte von dieser furchtbaren Waffe nur gehört und noch nie eine in der Hand gehabt. Er wollte den Knecht später bitten, sie ihm zu zeigen und hoffte, dass er sie ausprobieren durfte.
    Dann hatte sich der Trupp vor dem Haus des Priesters aufgestellt, zwei der Mönche und zwei der Bewaffneten waren in das Haus gegangen, und dann kam das Entsetzliche: Die weinende Frau des Leutpriesters wurde herausgeführt und in die Mitte des Trupps genommen, sie hielt zwei kleine Kinder an der Hand, auch sie weinten. In der Zwischenzeit sah das halbe Dorf zu. Die Menschen blieben stumm, als die Frau des Leutpriesters von dem eisernen Trupp vor das Dorf geführt wurde.
    »Priester dürfen keine Frauen haben«, verkündete einer der Mönche, »so will es Papst Gregor, solche Frauen sind Huren und ihre Kinder Bankerte«, und er redete noch viel.
    Es war zu einem furchtbaren Streit zwischen Luithard und seinem Bruder gekommen - der Papst habe Recht, er habe immer Recht, sagte der Bruder. Es kann nicht sein,

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