Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
Regen endlich aufhört und du das Gröbste aufgeräumt hast. Im Haus ist es zwar noch schlimm, aber du bist ja nicht der Kaiser. Du denkst dir, dass es auch nicht einfach ist, wenn man den ganzen Tag mit einer Krone herumlaufen muss.
Ein paar Nachbarn haben dir Onkel Berngers Äcker gezeigt, das sind jetzt deine.
Irgendetwas fällt dir dabei auf. Aber du weißt nicht, was -
Die Äcker sind alle sauber versteint, das heißt, die Grenzen sind an vielen Stellen mit auffälligen Steinen markiert, und sie haben dir gezeigt, woran du deine Äcker erkennst. Aber du hast die schlaflose Nacht in den Knochen - und du weißt nicht, was da nicht in Ordnung ist, als du die Äcker siehst. Aber du siehst, dass die Nachbarn grinsen.
Erst später, als du deine Äcker für das diesjährige Wintergetreide suchst - denn du musst endlich anfangen sie zu pflügen und zu eggen, damit du säen kannst, da erlebst du deinen Albtraum!
Du fragst, was Wintergetreide ist?
Weißt du nicht? Gibt’s das wirklich? Pass auf, ich erklär’s dir.
Also, du weißt, wie Getreide angebaut wird - ja, natürlich pflügen, eggen, säen, schneiden, in Garben binden, nach Hause fahren, dreschen, mahlen. Das weiß jeder, auch du. Nein, wenn ich Wintergetreide sage, dann geht es um mehr als nur um die Zeit für die Aussaat vor dem Winter, es geht um die Reihenfolge der Getreidesorten auf deinen Äckern.
Hör gut zu; es ist nicht ganz einfach. Also: Du musst nachts schlafen, sonst wirst du immer schwächer und schmeißt den Löffel hin. Genauso geht’s deinem Acker - auch der muss sich ausruhen. Deshalb wurde früher ein Jahr auf ihm gesät und geerntet, Weizen oder Roggen, und das Jahr danach lag er brach. In dieser Zeit hast du dein Vieh auf den Acker getrieben. Er hat sich ausgeruht, das Vieh hat ihn gedüngt.
So war es noch zur Zeit deines Großvaters. Er hat es dir erzählt, wenn du auf seinen Knien geritten bist. Aber dann ist alles besser geworden. Du hattest nun Pferde zum Ziehen. Und die brauchten als Futter eben viel mehr Hafer und Sommergerste. Und die sät man im Frühjahr, wie jeder weiß.
Also, pass auf: Du säst wie früher im ersten Jahr, und zwar im Herbst, Weizen oder Roggen auf den Acker, und das ist das Wintergetreide. Dann aber, wenn das abgeerntet ist, im zweiten Jahr, lässt du den Acker nicht brach liegen wie früher, sondern säst Hafer oder Gerste, das Sommergetreide, aber natürlich nicht gleich wieder im Herbst, sondern erst im darauf folgenden Frühjahr. Verstanden? Immerhin ruht der Acker dann wenigstens einen Winter lang. Du kannst auch ein paar Bohnen oder Erbsen aussäen, wenn du willst, das stört den Acker nicht. Und erst im dritten Jahr kommt die Brache für ein ganzes Jahr. Dann geht es wieder von vorne los - verstanden? Dabei wird nach jeder Brache jeder Acker zweimal gepflügt, damit das Unkraut, das ein Jahr lang Zeit hatte zum Wachsen, auch wirklich verreckt. Du pflügst die Äcker für das Wintergetreide zuerst im Juni und dann noch einmal vor der Saat im September oder Oktober.
Dreifelderwirtschaft heißen sie das. Denn du wechselst immer zwischen drei Feldern ab, eines liegt immer brach. Also statt einen Acker von zweien wie früher, hast du jetzt immer zwei von dreien deiner Äcker bebaut.
Der Vorteil ist jedem Dummkopf klar: Du holst aus deinen Äckern viel mehr heraus als vorher! Viel mehr! Und du hast dazu noch Futter für die Gäule.
Also die Ochsen des Bruders eingespannt und los! Viel Saatgut hast du ja nicht gefunden beim Onkel. Aber seine Äcker sind ja auch kein Königs- oder Klostergut. Und ein wenig Saatgut hat dir der liebe Bruder mitgegeben. Aber vor dem Säen musst du die Äcker pflügen und eggen. Es muss halt mit dem Pflug aus der Scheune gehen.
Du schaust dir alles noch einmal an.
Vor dir liegt die diesjährige Brachzelge, die meisten Äcker sind nach dem Pflügen im Juni bereits neu gepflügt für die Wintersaat, manche schon geeggt. Du wunderst dich, dass du kein einziges Stück brachliegenden Bodens siehst - das müssten dann deine Äcker sein.
Du bist sehr unsicher und siehst dich um in der ganzen Flur: Dort drüben liegt die Sommerzelge, und hier ist die künftige Winterzelge. Du siehst auch die Stoppelfelder der neuen Brache, der Brachzelge für das kommende Jahr.
Was eine Zelge ist? Mein Gott! Weißt du denn gar nichts? - Also, hör zu!
Schon mal was davon gehört, dass Wind gehen muss, damit aus den Blüten des Getreides - das sind diese kurzen gelblichen Fäden in der
Weitere Kostenlose Bücher