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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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auferstanden ist. Von dort, so war es uns verkündet worden, würde mit uns ein neues Reich Gottes auf Erden seinen Anfang nehmen - die Herrscher aller Länder des Abendlandes waren auf dem Weg dorthin. Und Kaiser Friedrich würde dieses erwartete Reich errichten. Und allen Streitern, die in Jerusalem einziehen würden, wäre die ewige Seligkeit sicher.
    Noch ein, zwei Tage voller Schmerzen, dann einige Wochen voller siegreicher Kämpfe und voller Jubel - und das größte Ziel wäre erreicht, das Menschen jemals erreichen konnten!
     
    Und dann geschah das Unfassbare.
    Wir, die wir im Gefolge des Kaisers waren, verfolgten am zehnten Tag des Monats Juni aufgeregt eine Auseinandersetzung Barbarossas mit einigen Hohen seiner Umgebung. Wir verstanden kein Wort. Aber wir hörten die Heftigkeit des Wortwechsels und sahen den Kaiser - sein graurotes Haar leuchtete in der Sonne - mit ausgestrecktem Arm auf verschiedene Punkte der Landschaft zeigen. Die andere Seite des Flusses, auf deren Landmarken der Finger des Kaisers immer wieder deutete, so schien es mir, ermöglichte das Fortkommen entlang der Ufer besser als unsere Seite, auch schienen mir die Bergkämme drüben nicht so hoch. Die Männer aber, die um Barbarossa waren, zeigten auf die Fluten des Saleph, der mit wilden Strudeln, genährt von den Schmelzwassern des Taurusgebirges, vor uns dahinschoss.
    War es nun das Bedürfnis des Kaisers, der unerträglichen Hitze hier unten in der windstillen Nähe des Flusses für einen Augenblick zu entgehen? Oder wollte er die steilen Höhen vermeiden, die sich ihm auf unserer Seite des Flusses in den Weg stellten, indem er das andere Ufer erstrebte? Oder wollte er nur Felsenklippen schwimmend vermeiden? Jeder weiß, welch großer Schwimmer unser Kaiser war!
    Er warf seine Schuhe und sein Obergewand von sich und machte ein paar rasche Schritte, bei denen er sich weit nach vorn beugte, in die Flut hinein, als bereite ihm die Berührung des Wassers großes Vergnügen - und war plötzlich verschwunden!
    Wer in der Nähe war - Gefolge oder Tross, Fürsten oder Knechte, Ritter oder Grafen, Bischöfe oder Laien, alle stürzten zum Ufer und rannten in den Fluss hinein. Und ich, der ich zu weit entfernt war, um mich an der Suche zu beteiligen, sah erlöst, wie sie nach wenigen Augenblicken den Kaiser auch schon aus den Fluten bargen und am Ufer niederlegten.
    Es war keine Zeit verstrichen.
    Deshalb hielt ich die Ruhe des Körpers zuerst für die Ruhe der Erschöpfung und erwartete jeden Augenblick, den Kaiser aufstehen zu sehen.
    Aber nichts dergleichen geschah!
     
    An dieser Stelle, bei diesem traurigen Bericht, versagt unser Griffel, unsere Rede verstummt.
    Was beabsichtigt der unergründliche Gott in seiner Vorsehung mit dem Tod eines solchen Menschen, eines so großen Mannes, nach so vielen Mühen, nach solchen Qualen? Ich weiß es nicht, und niemand wird jemals darauf eine Antwort geben können.
    Die Teile des Leichnams unseres Herrn und Kaisers wurden in höchster Not beigesetzt - wie sich gebührt, Organe des Lebens, Fleisch und Gebeine getrennt -, in Antiochia, in Tyrus, in Tarsus.
    Und mit uns, die wir voll Schmerzen in unserer Seele weitergingen, war von nun an kein Segen mehr. Es war, als hätten wir mit dem Kaiser unseren Vater verloren und als hätte sich hinter ihm das große Himmelstor für uns endgültig geschlossen.
    Das volle Maß des Unglücks ergoss sich ab jetzt über die christlichen Heere, die sich zerstritten wie vaterlose Geschwister.
    Zuerst aber kam das Fieber über uns. Friedrich, der Sohn des Kaisers, starb; dann erlagen dem Fieber Herren und Knechte in großen Scharen, als hätte plötzlich der Teufel Macht über unsere Körper bekommen.
    Dann griff der Teufel auch nach unseren Seelen: Die Fürsten des Heeres gerieten in Streit miteinander. Hässliche Worte fielen zwischen Königen und Herzögen - Beleidigungen, wie sie in einem christlichen Heer noch nie gehört worden waren! Macht bestimmte das Denken der Herren und nicht mehr das Wollen für das Heil der Seelen, welches doch der Grund gewesen war für unseren Zug. Beute, die noch gar nicht gewonnen war, wurde zum Zankapfel, Gier nach Ämtern in Gebieten, die noch dem Feind gehörten, flammte auf - all dies führte zu Fehde und Kampf zwischen denen, die ihre Kraft gegen die Ungläubigen hätten wenden sollen.
    Da riss das Band zwischen den Heeren der verschiedenen Länder, die sich doch gefunden hatten, um einander beizustehen, und die Ungläubigen hatten

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