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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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leichtes Spiel mit uns. Wer nicht bereits dem Fieber erlegen war, wurde Opfer der Heiden: erschlagen, erwürgt oder in die Sklaverei getrieben.
    Und die stolzen Heere verschwanden vom Boden der Erde, als hätte der Sturm in einen Haufen mit Spreu und dürrem Laub geblasen.
    Nur wenige der Männer, darunter ich, sind dem allgemeinen Verderben entkommen und haben die Heimat wieder erreicht, vielleicht nur, um zu berichten, was geschehen ist. Aber die Stimme versagt, die das alles erzählen will, und der Geist versagt, der dies Unglück erklären soll und doch nicht kann.

IRENE
    Nach dem Tode Friedrich Barbarossas im Jahre 1190 bauten seine Nachfolger die Macht des Reiches weiter aus: Durch seine Heirat mit Konstanze erlangte sein Sohn, Kaiser Heinrich VI., deren Erbe: das Normannenreich in Sizilien und Unteritalien. Und ebenfalls durch Heirat eröffneten sich weitere Perspektiven: Philipp, der jüngste Sohn Barbarossas, heiratete 1197 Irene, Tochter des Kaisers von Byzanz, des ehemaligen Oströmischen Reiches.
    Als kurz darauf Kaiser Heinrich VI. überraschend starb und Philipp zum deutschen König gewählt wurde, schien ein Traum von historischer Tragweite, die Vereinigung des früheren Weströmischen Reiches mit dem im Osten, plötzlich greifbar nahe.
    Aber Byzanz war in tödlicher Gefahr. Muslimische Heere überschritten die Grenze und eroberten das Heilige Land. Auch immer größere Teile von Kleinasien gerieten unter ihre Herrschaft, und so rückten die »Ungläubigen« gefährlich auf Konstantinopel zu, das alte Byzanz. Drei Kreuzzüge hatten Jerusalem nur vorübergehend den Christen zurückgegeben und dem Byzantinischen Reich keine dauerhafte Hilfe gebracht. Doch auch im Inneren von Byzanz gärte es, rücksichtslose Machtkämpfe erschütterten das Land. Auch in Westeuropa prägten Machtkampf und innerer Zwist die Geschicke. Philipp, der nach dem Tod seines Bruders nach der Krone des Kaisers griff, stieß in Deutschland auf erhebliche Widerstände. Die Auseinandersetzungen um Macht und Machterhalt lösten Gewalt und Gegengewalt aus, im Westen wie im Osten. Königin Irene, die byzantinische Kaisertochter, hielt sich seit ihrer Heirat zunächst in Sizilien und dann in dem für sie fremden Deutschland auf. Sie wurde hineingezogen in die Kämpfe und erlebte, wie in zwei Großreichen mit blutigen Mitteln um die Macht gerungen wurde. Und sie behielt in all den Kriegszeiten ihren Namen. Irene bedeutet: Friede!
     
    Zwei Briefe beschreiben die damaligen Ereignisse in Ost und West: Den ersten Brief, so denken wir es uns, schreibt der Reichs-Symboulos aus der bedeutsamen Familie der Komnenos in Konstantinopel an seine Schwester Elena. Symboulos ist das griechische Wort für Ratgeber.
    Er ist ein pedantischer Mensch, für den die Welt machbar und planbar ist - etwas von seiner Eigenwilligkeit hat sich in der seltsam altmodisch anmutenden Art niedergeschlagen, wie er zusammengesetzte Wörter schreibt.
    Im zweiten Brief antwortet ihm die Schwester. Sie ist im Gefolge von Königin Irene, ihrer Cousine, und mit ihr nach Deutschland gegangen. Beide schreiben, wie noch lange üblich, ihre Anreden groß.
    Gegeben zu Konstantinopel im Jahre des Herrn 1205 vom Reichs-Symboulos Evangelos Komnenos. An seine liebe Schwester Elena Komnenos, Dame der Königin Irene.
     
    Liebe Schwester Elena, der Segen unseres Herrn Jesus Christus sei über Dir.
    Es ist dies kein Brief der Freude, wenn es mir auch Freude bereitet, Dir, geliebte Schwester, diesen Brief zu schreiben. Mein Brief ist nicht mit goldener Tinte auf purpurfarbenes Pergament gemalt in diesen Not-Zeiten. Denn alle Herrlichkeit ist von unserer Familie genommen, die einst so mächtig war.
    Das Glück ist fortgegangen aus dem goldenen Byzanz, aus dem herrlichen Konstantinopel, seit Du, liebe Schwester, mit der Hohen Prinzessin Irene über das Meer gefahren bist, der schönen Tochter des Kaisers. Zuerst in das ferne Reich der Normannen in Sizilien und nun in das kühle Land der Deutschen.
    Ich kenne Irene schon seit ihrer Geburt. Ich duldete das stille Mädchen gerne in meinen Gemächern, die ich selbst ausländischen Gesandten verwehrte. Sie war ein liebreizendes Kind und mir besonders ans Herz gewachsen mit ihren großen Augen.
    Sie war noch keine sieben Jahre alt, als der Kaiser und ich eines Tages über einen Verräter redeten, einen Spion, der sich als Kaufmann verkleidet hatte - mit knappen Worten riet ich dem Kaiser, ihn hinrichten zu lassen, und wollte sogleich von einer

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