Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
stand ein gewählter römischer Kaiser weit unter dem purpurgeborenen Kaiser von Byzanz.
Und für die süße kleine Beatrix sollte es plötzlich nur ein Pfalzgraf sein! Otto von Wittelsbach, ein verfressener Ritter mit rotem Gesicht, den ich vom ersten Anblick an hasste.
Das Kind weinte, als es seinen künftigen Ehemann zum ersten Male sah: Beatrix war fünf - er war über zwanzig, vielleicht dreißig. Vielleicht noch älter, ich weiß es nicht. Dann lachte Beatrix plötzlich über ihn. Er stand so unbeholfen da und begann so hölzern mit ihr zu reden. Sie spielte mit einer Puppe.
Viele fanden das lustig.
Ich war entsetzt und sagte es der Königin.
»Der Wittelsbacher, er hilft dem König«, sagte die Königin mit einer Falte auf der Stirne.
Es fanden sich noch mehr, die dem König halfen: Königstöchter waren plötzlich begehrt. Aber sie bedeuteten in den Augen des Königs nach außen nichts als Machterwerb. Ich habe König Philipp mit den kleinen Mädchen lachen und spielen sehen - aber so schlimm war die Zeit, und so groß war seine Not, dass er die eigenen Töchter mit seinen Plänen verriet.
Auch Kunigunde wurde schon mit fünf Jahren verlobt, mit dem späteren König Wenzel von Böhmen. Maria wurde mit elf Herzog Heinrich von Brabant versprochen. Beatrix die Jüngere heiratete mit dreizehn Ferdinand III. von Kastilien.
Nach der Geburt von Beatrix der Jüngeren hatte die Königin eine lange Unterredung mit ihrem Leibarzt, auch die Hebamme war dabei:
»Ihr dürft kein weiteres Kind empfangen. Es ist zu gefährlich«, sagte der Arzt, und die Hebamme nickte besorgt.
»Gefährlich? Für das Kind oder für mich?«, fragte Königin Irene.
Der Arzt redete sehr viel und sehr gelehrt über bestimmte Säfte des Leibes, die aufgebraucht seien, er redete über wunderliche Konstellationen von Gestirnen, die keine weitere Geburt zuließen. Er zeigte Bilder von missgestalteten Tieren und Pflanzen, und er wies auf fremdartige Gesteine hin, die man in den Bergwerken des Königs gefunden hatte: Alles zeige an, dass eine weitere Geburt nicht möglich sei.
Die Hebamme redete nur wenig, aber man verstand sie sehr gut: »Eine Antwort auf Eure Frage, Herrin, für wen es gefährlich ist, ob für Euch oder für das Kind: Ich will es sagen: Für beide. Ihr seid zu schmal und die vier Geburten haben Euch vernarbt - Ihr könnt nicht mehr gebären.«
»König Philipp braucht einen Sohn«, sagte Königin Irene.
Ich habe nie so gut Deutsch gelernt, um verbergen zu können, dass ich aus einem fernen Land stamme - und ich wollte es auch nicht, ich wollte in der Sprache ein wenig eine Griechin aus Konstantinopel bleiben.
In der Aussprache der Königin dagegen war schon lange nicht mehr zu hören, dass sie als Kind griechisch gesprochen hatte - jetzt hörte man es plötzlich ganz deutlich.
Philipp hatte die besseren Voraussetzungen: Seine Einkünfte aus dem Herzogtum Schwaben waren einträglicher als die Ottos aus dem Herzogtum Braunschweig. Und von seinem Vater Kaiser Friedrich Barbarossa her hatte Philipp immer noch viele Anhänger auf seiner Seite.
Man brauchte die beiden nur zu vergleichen, den langen und hölzernen Geizkragen Otto und daneben unseren eleganten und heiteren Philipp! Freilich, man muss gerecht sein: Der Braunschweiger musste geizig sein, wo der reiche Schwabe großzügig sein konnte. Und auch die hochrangigen Verlobten der Töchter Philipps hatten nun Interesse an der Macht ihres künftigen Schwiegervaters. Sie gehörten zum engsten Kreis, wie zur Familie, und durften Vergünstigungen und Vorteile erwarten von dessen Sieg.
Otto hatte keine Töchter.
Die Waage im Reich neigte sich langsam auf die Seite Philipps.
Schließlich wurde Otto von Braunschweig bei Wassenberg in einer kleinen Schlacht von Anhängern Philipps besiegt. Und der französische König war siegreich gegen den englischen.
Selbst der Papst anerkannte jetzt Philipp als König, Otto von Braunschweig gab auf.
Und Otto von Wittelsbach, der kleine Pfalzgraf, passte nun plötzlich in die hochfliegenden Pläne des künftigen Kaisers nicht mehr hinein. Er spürte, wie er am Hofe Philipps immer kälter behandelt wurde.
Philipp redete viel von Macht und von der Krönung zum römischen Kaiser.
Ich war dabei, als Irene und er miteinander über die Auflösung der Verlobung von Beatrix sprachen.
»Du kannst ihn nicht wegschicken. Ein König hält Wort.«
»Ein König hält Macht.«
»Er hat in der Not zu dir gehalten, und jetzt -«
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher