Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
Vom Netzwerk:
Einige von ihnen wurden von römischen Bürgern gerettet, wohl meist in der Hoffnung auf Belohnung. Andere Bürger warteten nicht so lange - sie schlugen die Verwundeten an Ort und Stelle tot und nahmen Rüstung und Waffen als Beute mit. Nur sehr wenigen konnte ich das Blut stillen und die Wunden verbinden.
    Der Kampf endete mit dem Rückzug des Feindes, was nur gelang, weil auf ein plötzliches Hornsignal alle Krieger aus dem Holzturm gleichzeitig losbrachen, um in den engen Gassen der Innen-stadt zu verschwinden. Dorthin konnte die Masse unseres Heers nicht folgen.
    Waren gerade noch Steine und Pfeile auf unsere Streiter herabgeprasselt, so regneten jetzt an der Porta del Popolo Blumen auf den König, als er dort von den ghibellinischen Adeligen, den königstreuen Familien Roms, festlich empfangen wurde. Auch aus dem Volk war Jubel zu hören, als Heinrich VII. vorbei am Kolosseum feierlich zum Lateranpalast zog; der König hatte zuvor Münzen unter das Volk werfen lassen.
     
    »Wieder Fieber, Herr«, sagte ich am Abend, als wir endlich im Lateranpalast zur Ruhe gekommen waren und ich seinen Puls fühlen und die Hand auf seine Stirne legen konnte. Diese Stirne, die gesalbt und mit der Kaiserkrone geschmückt werden sollte. Jetzt war sie Perle an Perle mit Schweiß besetzt.
    Er zuckte mit den Schultern und lachte: »Nicht mein Problem«, sagte er, »sondern deins.«
    Sein Lachen überzeugte mich nicht: Ich sah, wie bleich er war.
    Ich sah auch seine Augen, in denen sich der Schmerz abbildete, den er im Haupt empfinden musste.
    Wiederum erhielt ich nicht die Erlaubnis, den König zur Ader zu lassen.
     
    Der ganze Westen und Norden von Rom mit St. Peter und der Engelsburg, dem Trastevere-Viertel und allen angrenzenden Gebieten, die links vom Tiber liegen, waren in der Hand von guelfischen Familien, die zum Feind des Königs hielten. Nur einen kleineren Teil im Osten der Stadt um Santa Maria Maggiore und den Lateran behaupteten königstreue Ghibellinen.
    Der Lateran war seit Jahrhunderten eigentlicher Sitz des Papstes. Aber Clemens V., derzeit regierender Papst, hatte vor einigen Jahren unter dem Druck des Königs von Frankreich die Stadt Avignon an der Rhône zum Ort des apostolischen Stuhls bestimmt. Zugleich entging er damit dem ewigen Streit um die Macht der Familien in der Stadt - jede von ihnen versuchte, den Kirchenfürsten auf ihre Seite zu ziehen. Die Krönungskirche der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs aber war seit Karl dem Großen immer die Basilika des heiligen Petrus im Vatikan gewesen.
    Zwischen den einzelnen Teilen der Stadt lagen wie riesenhafte Inseln die Ruinen der antiken Großbauten, die sich die Adeligen zu Festungen ausgebaut hatten und von wo aus sie sich gegenseitig bekämpften: das Kolosseum, das Marcellustheater, die Bauten auf der Tiberinsel, auf dem Aventin und anderswo. Es waren die Familien der Annibaldi, der Pierleoni, der Frangipani, der Savelli und andere, die seit vielen hundert Jahren darum kämpften, den Papst zu stellen, Kardinalsstühle oder Bischofsthrone zu besetzen, Zölle einzunehmen, sich Handelsprivilegien und Steuern zu sichern und vieles andere mehr. Sie brauchten dazu Könige und Päpste, Bischöfe und Krieger, und sie bekämpften jeden gnadenlos, der ihnen ihre Machtmittel streitig machte.
    Ein Frangipani hatte Anno Domini 1268 nach der Schlacht von Tagliacozzo König Konradin, den letzten der Hohenstaufen, an den Feind verraten: Der Staufer war hingerichtet worden, und die Macht der Familie war zu Ende. Jetzt kam wieder ein König nach Italien gezogen - würde es in Rom ein weiteres Tagliacozzo geben?
    Am folgenden Tag war König Heinrich frei von Fieber: »Siehst du, ohne deine Schröpfköpfe.«
    Aber ich wusste: Das Fieber lag auf der Lauer. Die trockeneren Säfte des Körpers warteten auf eine Schwäche der feuchteren und würden dann sogleich wieder hervortreten und den König mit jedem neuen Anfall von Fieber weiter schwächen, bis -
     
    Kein Mann des königlichen Heeres konnte sich in Rom sicher bewegen. Der bärtige Hirte auf dem ausgedienten antiken Forum Romanum, der zwischen Akanthus und Brennnesseln nach seinen Ziegen Ausschau hielt, konnte ein gedungener Mörder sein. Eine Wirtshausschlägerei von Betrunkenen konnte zum Krieg zweier Familien Roms gehören - in dem man leicht die falsche Partei ergreifen konnte. Ein unrechtes Wort in unbekannter Gegend konnte einen Dolch zwischen die Rippen bedeuten. Ein schwäbischer Ritter wusste nicht, woran er war,

Weitere Kostenlose Bücher