Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
Vom Netzwerk:
von Sieg, Heldentum und Beute.
     
    Ich selbst lag lange wach: Morgen erreichten wir Rom. Und der König war nicht gesund -
    Das erste Auftreten des Fiebers vor anderthalb Wochen war mir sogleich bedenklich erschienen, obwohl es noch schwach war, fühlbar fast nur am Puls. Aber der König klagte zugleich über Gliederschmerzen; und er fühlte sich matt, das sah ich ihm an - er hatte es bestritten.
    »Wie fühlt Ihr Euch?«, hatte ich ihn gefragt.
    »Gut«, war die Antwort, »sehr gut. Wie immer.«
    Aber sein Gesicht war blass, kleine Schweißtröpfchen standen auf seiner Stirne, unter den Augen waren Ringe. Der König sah erschöpft aus.
    Drei Tage später war das Fieber wiedergekehrt. Und es war höher als beim ersten Mal und setzte mit Schüttelfrost ein: Das Sumpffieber! Ich war mir ganz sicher.
    Aber ich sagte ihm den Namen der Krankheit nicht; der König würde viel Kraft in Rom brauchen. Denn das Wissen um die Natur einer Krankheit macht Kranke kränker und niemals gesund, vor allem wenn es sich um eine so schreckliche Krankheit handelt wie diese.
    Wie der Name sagt, steigt das Sumpffieber als giftiger Dunst aus den Sümpfen auf; es vergiftet die Säfte des Körpers, sodass die gallig trockenen, hitzigen Säfte über die anderen, die feuchten, kälteren, triumphieren. Durch das Ungleichgewicht der Säfte, die Dyskrasie, entsteht im Körper Hitze, die den Menschen von innen heraus verbrennt.
    Ich gab ihm wieder Sud aus Weidenrinde, jetzt vermischt mit Lindenblüten und Mädesüß, weißlich blühenden Spieren, die ich an den Rändern der Bäche zu suchen befahl. Mit Salbei versuchte ich, den übermäßigen Schweiß zu regeln, damit seine Säfte nicht noch mehr in Verwirrung gerieten.
    Ich wollte den König in diesen vierzehn Tagen mehrfach zu Aderlässen bewegen, um seinen Leib zu reinigen. Aber er war zu ungeduldig - und: Es ist das Blut des Königs, sagte er immer und lehnte es schroff ab.
    Das Fieber kam nunmehr alle zwei Tage. Der König hatte zudem Rückenschmerzen und konnte sich nur unter Qualen im Sattel halten.
    Aber er ließ niemanden etwas davon merken.
    Das alles überlegte ich in der Nacht, die dem Beschluss des Krieges folgte -
     
    Am nächsten Tag erreichte das Heer die Stadt Rom.
    Neugierige Blicke schweiften aus der Ferne über die sagenhafte ewige Stadt. Sie bestand aus einem weitläufigen, vom Tiber durchschnittenen grünen und braunen Hügelgelände, durchsetzt von Ruinen und Viehweiden und beherrscht von den berühmten sieben Hügeln, welche die Männer einander zeigten und deren Namen sie an den Fingern aufzuzählen versuchten. Ich kannte sie im Schlaf: Palatin, Aventin, Kapitol, Quirinal, Viminal, Esquilin und Caelius. An vielen Stellen verdichteten sich Gruppen von Gebäuden meist um Kirchen, sodass auf dem ausgedehnten Gebiet der von lücken-haften weißlichen Mauern umgebenen Stadt viele Städte zu liegen schienen.
    Der König und seine Berater fürchteten den Übergang über den Tiber, der auf der über tausend Jahre alten Milvischen Brücke erfolgen würde, da wir die Stadt und den Fluss Tiber von Norden her erreicht hatten. Doch nicht das Alter der Brücke bereitete ihnen Sorge, sondern dass das Heer des Königs hier gleich zu Beginn des Einzugs in die Stadt in einen Kampf verwickelt werden könnte. Eine Brücke schwächt die Kraft eines Heeres. Zögernd ritt die Vor-hut also auf die Brücke, ich wartete wie alle gespannt auf Pfeilschüsse und Steinwürfe von der anderen Seite.
    Zuerst geschah nichts. Aber als sie sich dem Ende der Fluss-überquerung näherten, wurde bei der Straße, die zwischen Hütten, Palästen und Kirchen stadteinwärts führte, ein hölzerner Turm sichtbar. Er war in einer Ruine errichtet und geschmückt mit der Fahne des Feindes, der Fahne der Anjous, und über die hölzerne Brüstung sahen wir Helme blinken und Helmbüsche wehen.
    Wolken von Pfeilen und Bolzen prasselten auf die Ritter herab, die dem Zug voranritten. Ein Hagel von Steinen empfing sie. Die Männer fingen die Geschosse und Steine mit den Schilden ab und versuchten den Turm mit geschleuderten Fackeln und Pechkränzen in Brand zu stecken. Aus einem Hinterhalt brachen Reiter und warfen sich unserem Heer entgegen, unterstützt von wütend zunehmenden Steinwürfen vom Turm herab.
    Auf unserer Seite gab es nun die ersten schlimmeren Verluste - mehrere Reiter stürzten von ihren Pferden und lagen reglos am Boden. Verwundete versuchten aus dem Kampfgetümmel zu kriechen, das um den Holzturm tobte.

Weitere Kostenlose Bücher