Augenblicklich ewig
es hier. Du weißt bereits alles und ich habe noch immer keine Ahnung, was eigentlich mit mir passiert.«
Ihre Augen wurden sanft. »Ich habe dir versprochen, dir zu beweisen, dass ich die Wahrheit sage. Wir hatten schon ein gemeinsames Leben vor diesem hier und noch eines davor. Ich erinnere mich daran und nun weißt du es auch. Das heißt aber nicht, dass ich deine Gedanken lesen oder in deinen Kopf schauen kann, Sam. Das ist kein Zaubertrick. Ich weiß nicht, was du gesehen hast.«
Sam nickte. Er fühlte sich viel zu geschafft, um zu protestieren. »Du liegst da, still, blass und krank und dann bekomme ich keine Luft mehr, ich bin zu schwach, mich zu bewegen.«
Sie streckte die Hand nach ihm aus, ließ sie aber sofort wieder sinken, als er erschrocken zurückzuckte. Er wollte das Ganze auf keinen Fall noch einmal erleben.
»Daran erinnerst du dich?«, fragte sie ungläubig. »Das ist lange her, sehr, sehr lange. Wir waren in der Oper, verliebt bis über beide Ohren, dann wurden wir krank.« Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern.
»Du bist gestorben.«
»Ich weiß.«
Sam schwieg lange und auch Polly sagte kein Wort. Er wusste nicht, was er denken sollte. Sein Gehirn schien irgendwie langsamer zu arbeiten als sonst. Immer wenn er glaubte, einen klaren Gedanken fassen zu können, verlor er ihn wieder. Er konnte sich nicht erklären, wie die Träume heraufbeschworen wurden, nur weil er Pollys Hand berührte. Er wusste genauso wenig, wieso sie die Geschichte kannte, die ein Produkt seiner Fantasie sein musste. Wie er es auch drehte und wendete, es gab keine vernünftige Erklärung für diese Sache. Und so sehr er sich auch dagegen wehrte, Pollys Erklärung war die plausibelste. Er glaubte weder an das Schicksal noch an Vorsehung, aber wenn er davon ausging, dass weder er noch sie verrückt waren und keiner von beiden auf eigentümliche Weise die Gedanken des anderen las – und daran wollte er nicht glauben – teilten sie sich entweder ihre Träume oder, wie Polly behauptete, ihre Erinnerung an ein anderes Leben. Sie hatte die Wahrheit gesagt und es ihm bewiesen. Jetzt musste er nur noch herausfinden, was das zu bedeuten hatte und was als Nächstes geschehen würde. Er hörte, wie Polly sich bewegte, und als er aufschaute, stand sie bereits an der Tür. Ihre Augen waren voller Sehnsucht, aber ihr Mund war schmerzlich zusammengepresst.
»Was hast du vor?«, fragte er.
»Ich werde gehen. Für heute hast du bestimmt mehr als genug von mir.«
Hatte er das?
»Ist es jetzt vorbei?«
Sie schüttelte langsam den Kopf und sah ihm bedauernd in die Augen. »Nein, ich befürchte nicht.«
»Warum?«
»Es ist erst vorbei, wenn wir ein Paar sind, immer in der Nähe des anderen. Wenn die Berührungen zum Alltag gehören.«
Sam sprang auf und hätte Polly am liebsten bei den Schultern gepackt, stattdessen blieb er vor ihr stehen und blaffte sie an: »Ein Paar? Darauf läuft das alles hier also hinaus?« Er bewegte seine Hand ziellos durch den Raum.
»Sam, ich ...«
»Vergiss es. Das wird nicht geschehen«, unterbrach er sie, selbst verwundert darüber, wie wütend er klang. »Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, mit wem ich zusammen bin. Nicht vom Schicksal, nicht von Gott und schon gar nicht von dir.«
Pollys Augen füllten sich mit Tränen und sie drehte sich beschämt weg. Sam empfand Mitleid mit ihr. Ihre Tränen schmerzten ihn, aber er würde sich nicht in eine Falle locken lassen.
»Ich werde jetzt gehen.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und er hörte, dass sie weinte.
Von dem plötzlichen Impuls getrieben, sie zu trösten, streckte er den Arm nach ihr aus, ließ ihn jedoch sofort an seiner Seite herabsinken. Er würde sie auf keinen Fall jemals wieder anrühren. Diese Erfahrung wollte er nicht wiederholen.
»Ich kann nicht aufgeben, Sam. Ich muss es weiter versuchen, aber für den Moment ist wohl alles gesagt.«
Sam riss sich zusammen und mäßigte seine Stimme, bevor er sprach, er wollte sie nicht noch mehr verletzen. »Das wird nicht nötig sein. Meine Entscheidung steht fest.«
»Ich werde nicht aufgeben.« Ohne sich nach ihm umzudrehen, huschte sie zur Tür hinaus. Kurz darauf hörte er die Haustür ins Schloss fallen. Sie war fort.
Zu seiner Überraschung durchströmte ihn nicht die erwartete Erleichterung. Im Gegenteil, er wurde unruhig, hatte das Gefühl, ihr nachlaufen zu müssen. Aber wozu? Sie mochte recht haben mit ihrer Geschichte. Vielleicht verlor er aber auch den
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