Augenzeugen
Umständlichkeit. «… als ein mir unbekanntes Fahrzeug mir von links kommend in verkehrsgefährdender Weise die Vorfahrt nahm.»
Toppe blieb geduldig und entlockte ihm nach und nach die ganze Geschichte: Schütz war auf die Brücke zugefahren – mit der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit selbstverständlich –, und plötzlich war vom Oraniendeich aus Richtung Griethausen ein Auto direkt vor seinem Wagen vorbeigeschossen und mit unvermindertem Tempo weiter in Richtung Grieth gerast. Nur durch eine Vollbremsung hatte Schütz einen Zusammenstoß verhindern können. «Es handelte sich um einen so genannten Kleinwagen. Den Hersteller kann ich Ihnen zu meinem Bedauern nicht nennen. Mit dererlei Dingen habe ich mich nie beschäftigt. Auch das Kennzeichen habe ich leider nicht bewusst wahrgenommen. Ich möchte mich da gar nicht entschuldigen, es wäre meine Pflicht gewesen, aber vielleicht können Sie mir nachsehen, dass ich in meinem Alter in einer solch extremen Situation Probleme mit meiner Gesundheit hatte.»
Toppe nickte nur. «Welche Farbe hatte das Fahrzeug, das Sie geschnitten hat?»
«Es war …» Schütz starrte ins Leere. «Es war rötlich, in gewisser Weise …»
«Kann man das genauer kriegen?», mischte van Appeldorn sich ein.
Der Oberamtmann richtete sich kerzengerade auf. «Nein, zu meinem größten Bedauern … Alles, was ich Ihnen sagen kann – wenn ich es noch einmal zusammenfassen darf – ist, dass ein Kleinwagen mit überhöhter, ungedrosselter Geschwindigkeit von links nach rechts die Vorfahrtsstraße gekreuzt hat, und dass ich eine Kollision durch eine Vollbremsung meinerseits gerade noch verhindern konnte. Das bewusste Gefährt war von rötlicher Farbe. Der Vorfall ereignete sich am 8. 8. um 15 Uhr 26.»
Während sich Schütz ungelenk verabschiedete, zog Astrid das Telefon heran und wählte die Nummer des Pizza-Taxis. Etwas Warmes zu essen würde sie alle wieder in Schwung bringen. Ohne Zögern gab sie ihre Bestellung durch, die seit vielen Wochen immer dieselbe war: Einmal die «28», zweimal die «13» mit Gorgonzola und für Cox die «52» in entschlackter Form, denn von Pilzen bekam er Ausschlag und Peperoni griffen seinen Zahnschmelz an.
Toppe ging zur Tafel und schrieb «15 Uhr 26» neben den Zeitplan, den sie bisher aufgestellt hatten: Geldeks Abfahrt von zu Hause, die geschätzte Fahrzeit bis zur Brücke, der Anruf bei der Rettungsleitstelle.
«Es passt», begann Astrid. «Die beiden Ereignisse könnten zusammenhängen. Geldek ist vor der Kreuzung in die Pontonstraße abgebogen. Etwa zur selben Zeit schießt dieser Kleinwagen oben über die Kreuzung. Es klingt vielleicht weit hergeholt, aber es könnte doch sein, dass der Wagen Geldek in die Pontonstraße abgedrängt hat.»
«Du meinst, der Wagen hat Geldek verfolgt?», hakte van Appeldorn nach.
«Man könnte sogar noch weitergehen», warf Toppe ein, «wenn wir an die Beule in der hinteren Stoßstange denken.»
«Dann bietet sich mir folgendes Szenario …» Auch Cox beteiligte sich an ihrem Gedankenspiel. «Jemand verfolgt Eugen Geldeks Mercedes auf dem Oraniendeich, rammt ihn sogar, sodass Geldek versucht, über die Pontonstraße zu entkommen.»
«Der Verfolger rast geradeaus weiter über die Kreuzung, bremst dann, biegt ab und kommt Geldek auf der Pontonstraße entgegen», vollendete van Appeldorn das Bild.
«Das hört sich alles ganz gut an», meinte Astrid. «Aber wenn da wirklich eine richtige Verfolgungsjagd abgelaufen wäre, dann hätten wir Zeugen. Es kann nicht sein, dass das keiner gesehen hat. Wisst ihr, was um diese Tageszeit auf den Straßen los ist?»
«Holländer!» Toppe schlug sich gegen die Stirn.
«Klar!» Cox wusste sofort, was er meinte. «Mindestens dreißig Prozent der Autofahrer in der Ecke sind Holländer. Noch ein Zeugenaufruf, also. In welche Zeitung?»
«De Gelderlander», antwortete Toppe und schaute auf seine Uhr. «Vor Montag können die das wohl nicht mehr bringen.»
«Eins steht jedenfalls fest, falls unsere Geschichte stimmt», überlegte van Appeldorn. «Der Verfolger kommt aus der Gegend. Zumindest hat er ausgezeichnete Ortskenntnisse.»
«Und er muss einen verdammt leistungsstarken Kleinwagen haben, wenn er mit Geldeks dickem Mercedes mithalten konnte», sagte Astrid und sah ebenfalls auf die Uhr. «Hoffentlich kommt die Pizza bald. Viel Zeit habe ich nicht mehr, die Tagesstätte schließt heute früher.»
Aber zuerst einmal kam der Staatsanwalt, der den Mordfall
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