Augenzeugen
Geldek bearbeitete.
Toppe seufzte stumm. Oberstaatsanwalt Günther war ein knochentrockener Typ, unzugänglich, phantasielos und ohne jeglichen Humor. Entsprechend umständlich und freudlos verlief das Gespräch.
Die Pizza kam und wurde kalt, während Günther immer noch die Fakten sortierte. Es rührte ihn nicht, dass Astrid mehrfach demonstrativ auf die Uhr schaute und auch van Appeldorns ungeniertes Gähnen ließ ihn kalt.
«Kann ich davon ausgehen, dass Sie auch am Wochenende ermitteln?», fragte er schließlich.
«Selbstverständlich», antwortete Toppe erschöpft.
«Bitte bringen Sie mich gleich am Montag früh auf den neuesten Stand.»
Als van Appeldorn endlich nach Hause kam, war es schon nach sieben, aber Ulli erwartete ihn fröhlich und nach langer Zeit mal wieder unternehmungslustig. «Ich habe heute den ganzen Tag schon Lust auf Friko mit Kartoffelsalat. Lass uns in die Kneipe gehen, ja?»
Die «Kneipe» war viele Jahre lang van Appeldorns Stammlokal gewesen, und als seine Ehe in den letzten Zügen lag, hatte er dort mehr Zeit verbracht als zu Hause – immer an der Theke, immer allein. Seit er mit Ulli zusammen war, hatte sich das geändert. Die Kneipe war zwar dieselbe, aber wenn er alle paar Wochen einmal herkam, saß er an einem Tisch, mit Ulli. Manchmal wunderte er sich, wie sehr ihm das gefiel. Oft blieben sie drei Stunden oder länger, und Ulli fragte ihn aus, wollte alles über die Fälle wissen, die er gerade untersuchte. Sich daran zu gewöhnen, war ihm nicht leicht gefallen. Früher hatte er, wenn er das Präsidium verließ, seine Arbeit, so gut es eben ging, aus seinem Kopf verdrängt.
Auch heute Abend spekulierte Ulli, nachdem sie ein paar Anekdoten aus der Vorschule erzählt hatte, lebhaft über alle möglichen Motive, die Geldeks Mörder gehabt haben konnte, und ihre Augen glänzten dabei. Van Appeldorn zog ihre Hand zu sich heran und küsste die Innenfläche. Es war schön, dass es ihr wieder so gut ging.
«Psst!» Sie legte einen Finger an die Lippen. «Hör doch!»
An der Theke war die übliche Expertenrunde versammelt, die allabendlich, so lange van Appeldorn die Kneipe kannte, die Welt ins Döschen packte. Auch er hatte mit halbem Ohr mitgekriegt, dass mehrfach schon Geldeks Name gefallen war und winkte ab. «Lass die doch reden. Ich hab da gerade so eine Idee …»
Aber Ulli entzog ihm ihre Hand und spitzte die Ohren. «Vielleicht erfährst du ja was Neues.»
Van Appeldorn schüttelte lachend den Kopf, nahm dann aber doch sein Bierglas in die Hand und lehnte sich zurück.
Die Männer an der Theke waren nicht gerade leise.
«Da kannste mich aber für angucken!», der Erste.
«Ach, geh mir doch weg!», der andere.
Dann wieder der Erste: «Doch, et is’, wie et is’, dat muss man einfach ma’ sagen! In eine Hinsicht lass ich auf Geldek nix kommen: Der hat noch nie ’n kleinen Mann beschissen. Tatsache! Ich mein’, wenn der einem wie uns hier wat inne Hand versprochen hat, dann konnteste aber drauf an.»
«Dat stimmt», meldete sich ein Dritter. «Ich mein’, als unser Jürgen dringend dat Grundstück haben musste und dat mit de Bank ’n bisken eng wurde, dat war für Geldek keine Frage. In so wat war der immer kulant. Wenn de gesacht has’, Geldek, ich weiß nich’, wer mir sons’ noch helfen könnt’, dann hat der sich für dich in’t Zeug gelegt un ers’ ma’ alle Fünf grade sein lassen.»
«Dat is’ doch Kokelores», sprang der Zweite dazwischen. «Der Geldek is’ doch nich’ bei de Wohlfahrt. Wenn et dem innen Kram passt, sicher, da kann ich auch großzügig sein, kann doch jeder, wenn er nix zu verlieren hat. Un’ ich sag nur eins: Der kommt ja nich’ ma’ von hier!»
«Da hasse auch wieder Recht, ma’ so gesehn. Ich hab mich schon immer gefragt, wieso hat der die Baugenehmigung da oben am Berg gekriegt, wo doch der Willi – un’ ich mein’, der hat ja auch wat anne Füße – wo doch der Willi sich jahrelang die Hacken danach abgelaufen is’. Aber wat war? Nix! Dat muss man schließlich auch ma’ überlegen.»
«Dat weiß doch wohl jeder, wie dat gelaufen is’! Wat meinste denn, wie der Chef vom Bauamt seine große Hütte bezahlt hat, he? Meinste, als Kackbeamter verdienste ’ne Million im Jahr, he?»
«Aber trotzdem», beharrte der Erste. «Dat einzige, wat ich sag, is’, mit unsereins is’ Geldek immer reell gewesen. Da lass ich nix drauf kommen. Un’ dat den einer von hier abgemurkst hat, dat glaub’ ich nich’. Ich
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