Augenzeugen
pralle Kartoffelsäcke und Holzsteigen voller Gemüse in einen Lieferwagen lud.
Peter Verhoeven, stellte sie fest, als sie auf ihn zuging, und die letzten zehn Jahre waren gnädig zu ihm gewesen. Sein Haar zeigte keine Spur von Grau, und das Gesicht war immer noch, auf eine verlebte Art, attraktiv. Auch der klebrige Charme war noch derselbe.
«Ach guck mal an, die schöne Kommissarin, wenn ich mich nicht irre», rief er und zeigte blendend weiße Zähne. «Wie komm ich denn zu dieser unverhofften Ehre?» Dann fiel der Groschen, und er zog finster die Augenbrauen zusammen. «Lassen Sie’s stecken! Geldek, oder?»
«Ganz recht», antwortete Astrid und nahm Block und Stift aus der Tasche. «Wo können wir uns unterhalten?»
Verhoeven lehnte sich gegen den Wagen, kreuzte die Beine und legte die Arme übereinander. «Gleich hier, meine Schöne. Ich habe nichts zu verbergen.»
Astrid verzichtete auf einen Kommentar und entschied sich für den direkten Weg. «Wo waren Sie am Mittwoch, dem 8. 8., zwischen 14 und 17 Uhr?»
«Letzten Mittwoch?», er umfasste nachdenklich sein Kinn. «Da muss ich mal gründlich überlegen.»
Astrid ließ ihn, er hatte offensichtlich eine Menge Spaß an seinem Spiel. «Bitte, ich hab’s nicht eilig.»
Da lachte er auf. «Nein, war nur ein Scherz. Ich weiß ganz genau, wo ich gewesen bin. Mittwochs fahre ich die Krefelder Tour.»
Wie sich herausstellte, belieferte er von montags bis samstags eine Reihe von Bioläden zwischen dem Niederrhein und Düsseldorf mit den verschiedenen Produkten des Hofes. «Und da habe ich meine festen Touren.»
«Spielen Sie eigentlich noch?»
Er zuckte nicht mit der Wimper. «Keine Zeit!» Dann eine großspurige Handbewegung. «Sie sehen ja, was hier zu tun ist.»
«Wohl eher kein Geld», dachte Astrid. Verhoevens Vater hatte damals seine Mühle und einiges an Land verkaufen müssen, um die Spielschulden seines Sohnes bezahlen zu können. So großzügig würde das Erbe kaum sein.
«Wie war Ihre Beziehung zu Eugen Geldek in den letzten Jahren?», fragte sie. «Haben Sie noch engeren Kontakt?»
«Ich höre immer Kontakt!» Verhoeven schnaubte hämisch. «Als bei mir nichts mehr zu holen war, hat dieser Großkotz mich mit dem Arsch nicht mehr angeguckt.»
Es klang echt.
«Na gut!» Astrid nickte und tippte mit dem Stift auf den Block. «Dann hätte ich jetzt gern ein paar Namen.»
«Was denn für Namen?» Verhoeven runzelte die Stirn.
«Leute, die bezeugen können, wo Sie am Mittwoch in der fraglichen Zeit gewesen sind. Ich höre!»
Er grinste wieder und kam so nah, dass sein Atem Astrids Wange streifte. «Wie könnte ich diesen Zigeuneraugen wohl etwas abschlagen?»
Auch Toppe fuhr nicht auf direktem Weg zu seiner Vernehmung nach Grieth, sondern entschied sich stattdessen für einen Umweg über Griethausen und den Oraniendeich, die Route, die Eugen Geldek am Mittwoch vermutlich gefahren war.
Das erste Stück der Deichstraße war zu beiden Seiten mit dichten Sträuchern bepflanzt – saftig grün nach dem anhaltenden Regen –, dann weitete sich das Panorama, und man hatte freie Sicht auf den schnell fließenden, mächtigen Strom.
Toppe entdeckte ein paar Kinder am Ufer, die im Sand herumkullerten. Sie hatten die Hosenbeine hochgekrempelt und planschten im Wasser. Er spürte einen leisen Stich, als er daran dachte, wie oft er als kleiner Junge seine Mutter angebettelt hatte, mit den anderen Kindern aus der Straße im Rhein schwimmen zu dürfen, was damals alle taten. Aber während Vaters Krankheit war kein Platz für Vergnügen gewesen, und nach dessen Tod hatte er sich gar nicht mehr getraut zu fragen. Nur einmal hatte Mutter ihm erlaubt, mit der Nachbarsfamilie nach Lörick ins Freibad zu fahren, aber bei seiner Heimkehr war sie ganz blass gewesen und hatte kaum mit ihm gesprochen.
Erst als ihn eine Lichthupe in den Rückspiegel schauen ließ, merkte er, dass er trödelte und sich eine Schlange hinter ihm gebildet hatte.
In Grieth musste er zweimal nach dem Weg fragen, bis er Joostens Bungalow gefunden hatte, der versteckt auf dem Gelände eines Obstbauernhofes lag.
Toppe konnte nicht sagen, wie er sich Geldeks Finanzberater vorgestellt hatte, aber mit Sicherheit hatte er keinen so jungen Mann erwartet, der ihn mit einem kräftigen Händedruck begrüßte und ihm dabei offen in die Augen blickte.
«Mein Chef mag gewesen sein, wie er will, Vorurteile hatte er keine. Er hielt mich für fähig, und da war es ihm egal, wie alt ich bin»,
Weitere Kostenlose Bücher