Augenzeugen
geopfert und verraten.»
«Eben nicht! Als ich hörte, dass Sie wegen Korten kommen, hab ich extra nochmal mit dem Abteilungsleiter telefoniert, der Korten am besten kennt, und der hat das bestätigt: Korten hat an Geldek gehangen, und er trauert um ihn.»
Katharina hatte ihren Kummer über Astrids Veränderung längst vergessen und konnte nicht schnell genug aus ihrem Kindersitz befreit werden, als sie am Reiterhof ankamen.
«Clemens!», quietschte sie und trippelte über den Hof auf einen Mann zu, der gerade mit zwei schweren Eimern aus der Scheune kam.
Toppe hielt Astrid zurück. «Wer ist dieser Typ?»
«Clemens?», fragte sie, verwundert über seinen barschen Ton. «Der arbeitet hier, Clemens Böhmer. Ist ganz nett, glaub ich, ein bisschen verschlossen, aber mit den Kindern geht er großartig um.»
Als der Mann die Eimer abstellte und sich zu der plappernden Katharina herunterbeugte, verlor sich sein vorher so mürrischer Gesichtsausdruck.
«Mit allen Kindern?», fragte Toppe. «Oder nur mit süßen kleinen Mädchen?»
«Wirklich, Helmut, du witterst nur noch Unheil überall!» Astrids Lachen klang gezwungen. «Clemens ist völlig harmlos. Er ist einfach nur nett. Zu den Mädchen genauso wie zu den Jungen. Er mag sie eben.»
Sie blieb stehen, um eine Gruppe von Kindern mit ihren Ponys vorbeizulassen, dann hakte sie sich bei ihm ein. «Jetzt komm und bring es hinter dich.»
Toppe sah sich argwöhnisch um. «Ist hier immer so viel Betrieb?»
«Nur an den Wochenenden. Normalerweise trifft man meist nur die Leute, die ihre Pferde hier stehen haben. Aber samstags und sonntags kommen natürlich viele Familien, die sich Tiere für einen Ausritt leihen.»
Katharina hatte sich an Böhmers Arm gehängt. «Papa! Komm!»
Toppe streckte dem Mann seine Hand entgegen. «Toppe, guten Morgen. Wir kennen uns noch nicht.»
Böhmer blickte ihn aus zimtbraunen Augen verdrossen an. «Angenehm, Böhmer.»
Von seiner Größe und Statur her wäre er der ideale Jockey gewesen, aber seine Haltung, Rundrücken und Hängeschultern, war schlaff und merkwürdig energielos.
Toppe hatte seine Kindheit und Jugend in der Stadt verbracht, und die größten frei laufenden Tiere, denen er damals begegnet war, waren Hunde gewesen. Seit er am Niederrhein lebte und arbeitete, hatte sich der Kontakt zu anderen Tierarten nicht immer vermeiden lassen, aber Pferde und Kühe in unmittelbarer Nähe machten ihn immer noch nervös.
Niko war angenehm klein und schien ihm einigermaßen wohl gesonnen, schnoberte an seiner tapfer ausgestreckten Hand. Katharina war völlig aus dem Häuschen, ließ sich hochheben, um dem Pony einen Kuss zu geben, und wollte reiten.
Astrid setzte sie aufs Pferd und zwinkerte Toppe zu. «Reiten bedeutet, ich führe sie eine Runde um den Hof. Dauert nicht lange», flüsterte sie.
Toppe zündete sich eine Zigarette an und blickte ihr nach. Kurze Löckchen kringelten sich in ihrem Nacken, der ihm auf einmal zerbrechlich vorkam. Katharina jauchzte vor Freude, und Astrid drehte sich zu ihm um. Die neue Frisur ließ ihre Augen größer wirken, betonte die Wangenknochen. «Sie ist wunderschön», dachte er traurig.
Er fuhr zusammen, als ein mächtiger Schimmel angedonnert und wenige Meter neben ihm zum Stehen kam. Seine Reiterin saß geschmeidig ab, zog die Kappe vom Kopf und schüttelte ihre silberblonde Lockenmähne. Plötzlich kreischte sie auf, so schrill, dass ihm die Ohren klingelten: «Asssi? Ich werd verrückt!» Sie rannte über den Hof. «Bist du das wirklich? Das gibt’s doch gar nicht!»
«Mareike!» Die beiden Frauen umarmten sich, dabei schnatterte Mareike schon weiter: «Was für eine tolle Frisur! Ich hätt dich fast nicht erkannt. Steht dir sagenhaft gut. Reitest du endlich wieder? Hast du ein neues Pferd?»
«Nein, nein, meine Tochter fängt gerade an zu reiten.» Astrid klang verlegen. «Ihr Pony steht hier.»
Jetzt erst bemerkte Mareike das Kind. «Ach genau, Mensch, du hast ja Nachwuchs gekriegt. Das ist deine Tochter? Ist die niedlich!» Sie kraulte Katharina unterm Kinn. «Na, wie heißt du denn, Süße?»
Katharina verzog trotzig den Mund und drehte das Gesicht weg, aber das schien Mareike nicht aufzufallen. «Meine Güte, ja, Kinder, ich hätte gar keine Zeit dafür. Du weißt, dass Robert und ich uns getrennt haben? Die Agentur mache ich jetzt ganz alleine. Ich kann dir sagen, das stresst vielleicht! Man kommt zu gar nichts mehr, nicht mal mehr zum Reiten. Ich such schon seit Ewigkeiten
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