Augenzeugen
Liechtenstein ins Leben. Dazu muss man wissen, dass Liechtenstein dem schweizerischen Steuergesetz unterliegt, und das bedeutet, Stiftungen zahlen keine Steuern. Außerdem müssen die dort weder gemeinnützig sein noch irgendeinen Zweck angeben. Also pass auf: Geldek zahlt die Profite, die seine ganzen Firmen machen, auf dieses Stiftungskonto ein.»
«In Liechtenstein.»
«Eben nicht! Das Geld verlässt Deutschland gar nicht, weil die Liechtensteiner Stiftung nämlich ihr Konto bei einer Bank in Kleve hat.»
«Ach was? Und wie kommt Geldek an das Stiftungsgeld ran?»
«Ganz einfach, die Stiftung stellt Barschecks auf Geldek aus, das darf sie nämlich. Und das Geld, das da fließt, muss nicht versteuert werden, weil’s ja eine Liechtensteiner Stiftung ist, die nicht unters deutsche Steuergesetz fällt.»
Van Appeldorn schüttelte ungläubig den Kopf. «Und so was ist legal?»
«Völlig legal, meint Günther. Verrückt, nicht?»
«Dann könnte das doch jeder machen!»
«Stimmt!»
«Sind wir blöd!»
«Vielleicht.» Cox wiegte den Kopf. «Aber auf so was muss man ja auch erst einmal kommen. Und bei den paar Kröten, die unsereins auf der hohen Kante hat, lohnt sich der Aufwand vermutlich nicht.»
«Da bin ich mir nicht so sicher», murmelte van Appeldorn und schaute wieder auf das Diagramm. «Hm, und die Bauunternehmen gehören alle ihr? Ach klar, die hat Geldek bestimmt noch vor seinem Konkurs überschrieben, bevor er sich abgesetzt hat. Vielleicht liegt da ja der Hase im Pfeffer … Der Dame geht nämlich der Arsch mächtig auf Grundeis. Die Nachbarn waren erfreulich gesprächig, sehr beliebt ist die Frau anscheinend nicht. Am Mittwoch hat man Geldek zur fraglichen Zeit abfahren sehen, allein. Ob seine Frau zu Hause war, wusste keiner, aber allen ist aufgefallen, dass Martina Geldek sich in ihrer Hütte verbarrikadiert. Nicht nur, dass die Hoftore abgeschlossen sind, sie hat auch das zweite Sicherheitstor vorgeschoben, und die Wachhunde laufen Tag und Nacht frei herum. All das sei höchst ungewöhnlich. Ich bin auch bei Geldeks Putzhilfe gewesen. Die Frau ist völlig verstört, denn die Geldek hat ihr gestern gekündigt, telefonisch und ohne einen Grund zu nennen.»
«Und seit wann hat sie sich so verschanzt? Erst seit Mittwoch oder schon vorher?»
«Das wollte keiner beschwören. Es könnte auch schon ein paar Tage länger so gehen. Glaub ich allerdings nicht, denn als ich am Mittwoch ankam, war das Sicherheitstor offen. Eins steht jedenfalls fest, die Frau hat panische Angst. Die Frage ist nur, warum.»
«Sie kennt den Mörder», schlug Cox vor.
«Sieht ganz so aus. Aber warum sollte der auch hinter ihr her sein?»
Cox schabte mit den Fingernägeln über seine Bartstoppeln. «Du meinst, das könnte was mit ihren Baufirmen zu tun haben?»
Als van Appeldorn nach Hause kam, fand er Ulli, am ganzen Körper zitternd, in eine dicke Wolldecke gepackt, auf dem Sofa vor.
Sie war in der Fußgängerzone mit einem so schweren Anfall von Atemnot zusammengebrochen, dass Passanten den Notarzt gerufen hatten.
«Da war irgendein Geruch in der Luft, ich glaube, es war Urin.» Sie konnte nur flüstern. «Ich bin dann wieder in der Kiste, verstehst du? Ich bin dann wirklich in diesem Sarg! Ich verdurste, ich ersticke. Sie bringen mich um.»
Van Appeldorn küsste ihr die Tränen weg. «Jetzt bin ich ja bei dir.»
Aber sie wandte das Gesicht ab. «Es wird nie aufhören.»
Katharina hatte es wie immer gespürt, dass Astrid noch weggehen wollte, und machte beim Zubettbringen großes Theater, wollte eine zweite Geschichte vorgelesen bekommen, ein Glas Saft, knaatschte und fuhr schließlich ihr stärkstes Geschütz auf: «Ich hab aber Angst!»
Toppe schob Astrid aus dem Kinderzimmer. «Und du lässt dich nicht wieder weich klopfen. Du wolltest um acht Uhr gehen, und das tust du auch. Ich kümmere mich schon um unseren Haustyrannen.»
«Mama!», greinte Katharina.
Toppe holte tief Luft. Wenn er jetzt die Nerven verlor, würde das hier noch Stunden so weitergehen. «Wovor hast du denn Angst, Liebchen? Erzähl’s mir.»
Um neun Uhr kam er endlich dazu, Norbert anzurufen, um zu fragen, was es Neues gab. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch und schlug die Akte auf, die im Sommer 1997 angelegt worden war: der Fall Alina Escher.
Noch monatelang, als die Sonderkommission, die die Entführung bearbeitet hatte, längst aufgelöst worden war, war dieser Fall in den Köpfen aller Beteiligten herumgespukt. Man
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