Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
denn als sie vor ihm stand, sagte er etwas zu ihr, worauf sie anfing zu lachen und beide Hände an die Wangen legte, als wäre sie rot geworden. Ich war froh, sie mal wieder so unbeschwert zu sehen.
Als die Band den nächsten Song spielte, drängten die beiden sich durch die Zuschauer nach vorn zur Bühne, um zu tanzen. Weil ich keine Lust hatte, mit anzusehen, wie Conner für einen anderen Sänger, der längst nicht so gut war wie Logan, Bass spielte, nahm ich unsere beiden Gläser und verzog mich in eine dunkle Ecke hinter der Theke, wo ich mich an die Wand lehnte. Ein Pärchen in Lacrosse-Shirts mit dem Wappen der John Hopkins University stand wenig später von einem der Tische auf und verschwand Richtung Tanzfläche.
Perfekt! Schnell setzte ich mich an den frei gewordenen Tisch und stellte Megans Glas so neben mich, dass es aussah, als würde ich auf jemanden warten, der jede Sekunde wiederkommen konnte. Das würde mit Sicherheit jeden davon abhalten, mich anzusprechen.
»Hi.«
Ich seufzte. Zumindest jeden Lebenden.
Neben mir stand ein etwa vierzehnjähriger violett schimmernder Junge, der ein bei Emos sehr beliebtes Vintage-T-Shirt mit dem Disintegration -Cover von The Cure anhatte.
»Hi«, sagte ich.
»Hey, cool.« Er strahlte übers ganze Gesicht. »Die meisten Mädchen tun immer so, als würden sie mich nicht sehen.«
Ich lächelte höflich. Wahrscheinlich hatten die meisten Mädchen auch schon so getan, als würden sie ihn nicht sehen, als er noch am Leben gewesen war.
»Kann ich mich setzen?«, fragte er.
»Ohne echtes Sitzfleisch? Wohl kaum. Aber du kannst es ja mal versuchen.«
Er lachte und ließ sich dann in den Stuhl mir gegenüber sinken, der nicht einmal unter dem Tisch hervorgezogen war. »Du bist Aura Salvatore, stimmt’s?«
Ich verschluckte mich fast an meiner Cola, von der ich gerade getrunken hatte. »Woher weißt du, wie ich heiße?«
»Vor meinem Tod habe ich im Internet mal einen Artikel über dich gelesen. Du hilfst Geistern, hinüberzuwechseln, oder?«
Ich atmete erleichtert auf, weil ich schon befürchtet hatte, dass er auf meine angebliche Mitschuld an Logans Tod anspielte. Aber davon wusste er anscheinend nichts. »Na ja, ich persönlich helfe ihnen eigentlich nicht«, beantwortete ich seine Frage. »Ich arbeite bloß in einer Rechtsanwaltskanzlei, wo ich öfter für Geister dolmetsche.« Ich zückte mein Handy und öffnete die Kalender-App. »Wenn du Hilfe brauchst, können wir gern einen Termin vereinbaren.« Hauptsache, er verschwand, bevor irgendjemand mitbekam, dass ich mich mit einem toten Neuntklässler unterhielt.
»Echt?« Der Typ machte große Augen. »Das wäre total super!«
»Okay, dann lass uns mal einen Ort in der Nähe der Kanzlei suchen, an dem du schon mal gewesen bist, damit meine Tante dazukommen und sich deine Geschichte anhören kann. Warst du zum Beispiel schon mal im …«
»Moment mal«, unterbrach er mich verwirrt. »Können wir uns nicht alleine treffen?«
»Wozu?« Ich ließ mein Handy sinken.
»Na ja.« Der Junge legte beide Hände flach vor sich auf den Tisch. »Die Sache ist die … Ich bin gestorben, ohne dass ich jemals echte Titten gesehen habe. Also so richtig von ganz nah, meine ich, nicht nur im Internet. Keine Sorge, ich würde dich nicht anfassen oder so«, beeilte er sich, mir zu versichern, als er mein entsetztes Gesicht sah. »Kann ich ja auch gar nicht. Aber selbst wenn ich es könnte, würde ich es nicht tun.« Er sah auf seine Hände. »Ich würde nur gern mal welche sehen.«
Er war ein Geist. Ich konnte ihm weder meinen Drink ins Gesicht schüttern noch ihm das Knie in die Eier rammen, was ich ehrlich gesagt am liebsten getan hätte. Die einzige Möglichkeit, ihn loszuwerden, war, mich auf der Damentoilette zu verbarrikadieren, aber dafür hätte ich meinen perfekten Sitzplatz aufgeben müssen, und ich war nicht bereit, den Rest des Abends irgendwo blöd an der Wand zu lehnen und mir die Beine in den Bauch zu stehen.
»Du willst also, dass ich dir meine Brüste zeige?«
Er nickte so eifrig, als hätte ich gefragt, ob er auch noch eine Portion Pommes dazu haben wolle.
»Und danach würdest du hinüberwechseln?«
»Das ist alles, was ich mir auf Erden noch wünsche, also: Ja.«
Ich war fast bereit zu glauben, dass die Seele eines vierzehnjährigen Jungen tatsächlich Frieden finden könnte, indem er sich ein paar echte Brüste ansah.
»Wie heißt du eigentlich?«, fragte ich.
»Jake. Entschuldige, dass ich mich nicht
Weitere Kostenlose Bücher