Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
abholte. Wir hatten beschlossen, mit der Straßenbahn in die Stadt zu fahren, und mir fiel auf, dass er jeden, der einstieg, eingehend musterte. Den Vormittag verbrachten wir im Aquarium, mittags lud er mich zum Essen ein und setzte sich an den Platz an der Wand, von dem aus er den Raum im Blick hatte, ohne mich zu fragen, wo ich sitzen wollte, was ich merkwürdig fand, weil er sonst immer ausgesucht höflich war. Und als wir später auf der Aussichtsterrasse des Trade Center standen, hatte ich den Eindruck, er interessiere sich mehr für die Leute, die um uns herumstanden, als für die Skyline der Stadt, den spektakulären Blick auf die Bucht oder … mich.
Lag es vielleicht daran, dass er Angst hatte, Becca Goldman über den Weg zu laufen? Mir war nicht entgangen, dass die beiden ständig in der Cafeteria zusammensaßen (nicht dass ich Buch darüber geführt hätte …), und ich hatte von Megan erfahren, dass er letzte Woche auf einer ihrer legendären Partys gewesen war, über die krasse Geschichten erzählt wurden. Wenn es auch nur eine mikroskopisch kleine Chance gegeben hätte, dass Becca mich jemals einladen würde, hätte Tante Gina mich nur mit einem Keuschheitsgürtel dort hingehen lassen.
Aber vielleicht war es ja auch einfach ein Flirttrick und Zachary versuchte sich interessanter zu machen, indem er sich unnahbar gab. Ich muss zugeben, dass diese Taktik – falls es denn eine war – tatsächlich funktionierte.
»Jetzt gehen wir zum Weihnachtsmann!«, schlug ich vor, als wir an einem mit Stechpalmenzweigen aus Plastik und funkelnden Lichterketten geschmückten Pavillon vorbeikamen. »Da drinnen können wir uns aufwärmen und außerdem brauche ich dich als Zeugen.«
»Hm?«, fragte er zerstreut und riss den Blick von der kleinen Menschenmenge auf der Hafenpromenade los, die er beobachtet hatte.
»Na ja, du kannst ihm berichten, ob ich eher ein braves oder ein unartiges Mädchen war.«
Jetzt lächelte er. »Sowohl als auch, würde ich sagen.«
»Ja, aber was hat überwogen?« Ich stieß ihn leicht mit der Schulter an, weil ich beide Hände in die Jackentaschen geschoben hatte.
Zachary hakte sich bei mir unter und zwinkerte mir zu. »Ich finde, du bist so brav, dass du es dir ab und zu ruhig mal erlauben könntest, etwas unartiger zu sein.«
Ich erschauerte, aber das hatte definitiv nichts mit der Kälte zu tun, sondern damit, dass er mit mir redete, als wären wir irgendwo ganz allein – statt mitten auf einem öffentlichen Platz voller Menschen zu stehen – und hätten nicht vier Schichten Klamotten übereinander an.
Als ich wieder halbwegs normal atmen konnte, erwiderte ich: »Ich kann dir jedenfalls jetzt schon sagen, dass dein Name auf der Liste des Weihnachtsmanns nicht in der Rubrik ›brave Kinder‹ steht.«
»Nein, das kannst du nicht.« Er blieb stehen und sah mich an. »Weil du mich nämlich gar nicht kennst. Du hast keine Ahnung, wie ich wirklich bin.«
Sein Blick war so ernst und durchdringend, dass ich mir plötzlich sicher war, er würde mich gleich küssen. Hastig trat ich einen Schritt zurück. Logan war in seinem Leben Hunderte von Malen hier am Hafen gewesen. Es war gut möglich, dass er genau jetzt in diesem Moment – im strahlenden Sonnenlicht verborgen – neben uns stand und alles mitbekam.
»Aber das werde ich ändern«, sagte Zachary entschlossen. »Und zwar jetzt sofort.«
Er sah sich um. Sein Blick blieb an einer kleinen Holzhütte hängen, die direkt am Wasser stand. »Perfekt«, flüsterte er.
»Das ist ein Tretbootverleih!«, sagte ich entsetzt.
»Ich weiß.« Er ging entschlossen die Planken zu dem schmalen Steg hinunter, an dem Dutzende von Booten vertäut lagen. Natürlich war kaum eins davon vermietet.
»Bist du verrückt?«, rief ich, während ich ihm hinterherlief. »Es ist eiskalt und da draußen auf dem Meer ist es noch viel kälter!« Ich deutete auf die grauen windgepeitschten Wellen im Hafenbecken.
»Ich habe Geburtstag, schon vergessen? Ich darf alles machen, was ich will«, entgegnete er und ging einfach weiter.
So langsam hatte ich die Nase voll. Wir waren im National Aquarium gewesen (obwohl ich Meerestiere eklig fand, und zwar in jeder Form), auf die Aussichtsplattform des Trade Center gefahren (obwohl ich Höhenangst hatte) und ich hatte ihm zuliebe sogar Krabben gegessen (ich sage nur: Meerestiere) – und das alles nur, weil er ständig darauf herumritt, dass er Geburtstag hatte.
»Aber ich will nicht Boot fahren!«, rief ich ihm
Weitere Kostenlose Bücher