Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
fast so, als würden die Hexen- und Voodoo-Puppen versuchen, die Engel und Elfen zu übertrumpfen. Im ganzen Laden sind Körbe mit Edelsteinen verteilt: Quarz, Amethyst und andere schöne Steine, von denen ich nicht weiß, wie sie heißen. Aber sie scheinen eine starke Energie auszustrahlen. Ich sauge so schnell ich es kann, ohne dabei sichtbar zu werden, ihre Kraft ein. Mitten in dem Chaos steht Rei, und seine Energie schwebt ziellos umher, während er versucht, sich in dem seltsamen Laden zurechtzufinden.
»Seid gegrüßt, Bruder!« Die Frau mittleren Alters, die hinter der Theke steht, erinnert mich an den Kardinal-Vogel: Ihr hoch aufgetürmtes rotes Haar steht in alle Richtungen ab, sie hat eine konisch gebogene Nase und eine dicke Linie Eyeliner umrahmt ihre kleinen, stechenden Augen. Sie mustert Rei über den Rand einer psychedelischen Lesebrille hinweg, hüpft von ihrem Schemel herunter und flitzt zu ihm hin. »Kann ich dir helfen? … Oh!« Sie nimmt ihre Brille ab, die jetzt von einer dünnen Perlenkette herabbaumelt. Ihre Finger fummeln an den Bügeln herum und ich bin ziemlich schockiert von der Länge ihrer Fingernägel. »Oh mein Gott! Du hast eine wunderschöne Aura«, säuselt sie. »Soll ich dir die Zukunft vorhersagen?«
Rei hat keine schöne Aura, zumindest nicht im Moment. Nur falls sie die Farbe von Dijonsenf toll findet, kann sie das schmutzige Gelb seiner Aura bewundern. »Nein, ich suche nach weißem Salbei«, sagt er vorsichtig. »Den soll es in Bündeln geben.«
»Na klar.« Die Frau zwinkert ihm zu. »Das stimmt. Folge mir.« Sie führt Rei durch ein Sammelsurium an Dingen: Bücherregale, Kleiderständer, Glasauslagen mit Kristallkugeln, eine Sammlung mit verzierten Dolchen unter einem Schild, das rituelle Messer bewirbt, und eine gruselige Ansammlung von Voodoo-Puppen inklusive tödlich aussehenden Stecknadeln. »Hier ist er«, flötet sie fröhlich. »Willst du auch gleich die Abalone-Muschelschale dazuhaben, mein Lieber? Damit kann man sehr gut die Asche aufsammeln und sie kostet nur 9,99 Dollar .«
»Nein danke, das geht schon.«
»In Ordnung.« Rei folgt der Vogelfrau zu der Kasse in den vorderen Teil des Ladens.
Drei Minuten später hat Rei erfolgreich die seltsame Begegnung mit dem
Hallowed Eave
-Shop überstanden und spurtet zum Auto. Dort angekommen, stopft er das Bündel magischen Salbei unter den Sitz.
»Hast du die rituellen Messer gesehen? Was machen Menschen nur damit?« fragt er mich, als wir die Hauptstraße entlangbrausen. »Ich wette, die Voodoo-Puppen haben dir verdammt gut gefallen.«
Später am Abend in Reis Schlafzimmer versuchen wir herauszufinden, wie man die Salbei-Bündel am besten anzündetund Taylor ausräuchert. »Meine Mutter wird mich umbringen, wenn ich dieses Zeug im Haus anzünde«, sagt er und riecht zum hundertsten Mal an den Zweigen. »Es riecht nicht nach Salbei«, wiederholt er immer wieder.
Ich habe keine Ahnung. Ich kann mit verbundenen Augen Vanille erschnüffeln. Auch Knoblauch, Zimt und Rosmarin erkenne ich sofort. Aber Salbei?
Rei setzt sich an den Computer und googelt »Wie riecht weißer Salbei?«, und was er findet, gefällt ihm ganz und gar nicht. »Wenn ich das im Haus anzünde, wird sie mich nicht nur töten, sie wird meine Leiche unter der Veranda begraben, damit die Würmer sie fressen können«, sagt er mit schwacher Stimme. »Es riecht wie Marihuana, wenn man es verbrennt.«
Marihuana. Rei kann manchmal so förmlich sein.
Ich habe gehört, dass Taylor und ihre Freunde öfter nach Burlington gefahren sind und zusammen mit Studenten Alkohol getrunken haben. Aber ob sie auch Drogen genommen hat – keine Ahnung. Hat sie geraucht? Ich weiß es nicht. Ich habe den Gesprächen von ihr und ihren Freundinnen nie zugehört.
Warum probieren wir nicht aus, ob sie es freiwillig raucht?
Rei zuckt vor dem Bildschirm zusammen. Nicht, weil er nicht lesen kann, was ich geschrieben habe, sondern weil es ihm absolut nicht gefällt. »Woher willst du wissen, was dieses Zeug deinem Körper antut? Das sind deine Lungen. Und du hast keine Ahnung, was es mit deinem Gehirn anstellt.« Rei versteckt den Salbei in seiner untersten Schreibtischschublade unter einem Stapel Unibroschüren. »Ich werde das morgen recherchieren.« Er streckt sich rücklings auf seinem Bett aus und faltet die Hände unter dem Kopf. Dann schließt er die Augen.Ich schwebe zu ihm und lege mich neben ihn ins Bett. Er sieht müde aus. Ich habe ihm heute viel Energie geraubt,
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