Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
die Hand nach meinem Nacken aus, hält inne, lässt den Arm sinken und seufzt. »Ich geh duschen.«
Ich bemerke, dass er sein Handy in die Dusche mitnimmt.Fünfzehn Minuten später sitzt er barfuß am Küchentisch. Er trägt Jeans und ein ausgebleichtes graues T-Shirt . Die Zeitung liegt ausgebreitet vor ihm und er streut Zimt auf seine Haferflocken.
»Lecker«, er hält einen Löffel mit unförmiger Masse hoch und stopft ihn sich in den Mund. »Mmmm.«
Ich öffne meinen Mund und tue so, als würde ich mir den Finger in den Hals stecken.
Am Samstag kommen keine Schüler in den Laden, deshalb können Robert und Yumi heute bis sieben im Bett bleiben. Seltsamerweise schläft auch Saya noch. Rei blättert die ganze Zeitung durch und kommentiert den einen oder anderen Artikel. Dann kommt er zu den Todesanzeigen und schiebt die Zeitung in meine Richtung, sodass wir beide lesen können.
Taylor Ann Gleason – Geliebte Tochter
Wir beide nehmen uns Zeit, all die wundervollen Dinge zu lesen, die dort über Taylor stehen.
»Es gibt zwei Trauerfeiern. Heute Nacht von sechs bis acht ist die Feier für die Leute aus dem Ort. Morgen Nacht ist noch eine Zeremonie für ihre Freunde aus Long Island. Die Beerdigung ist am Montagvormittag. Sollten wir auf eine der Festlichkeiten gehen?«
Ohne den Computer bin ich stumm. Also nicke ich nur.
»Da wir Seth schon nicht folgen, sollten wir uns darauf konzentrieren, dich in deinen Körper zurückzubekommen. Das Salbeizeug hat offensichtlich nichts gebracht. Hast du noch eine andere Idee?«
Ich schüttle den Kopf. Ich will ihm sagen, dass ich heute weiter recherchieren will. Aber ohne Stimme kann ich das Rei nicht erklären.
»Denk weiter drüber nach. Ich muss heute arbeiten. Behältst du Seth im Auge?«
Klar. Ich nicke.
Ich beame mich zwischen Reis Haus und Seth hin und her. Seth fährt zielstrebig in die Richtung von Matts College. Rei geht mit seiner Familie zum Laden. Er erklärt Yumi, dass ich mich nicht wohlfühle und er sich deshalb um die Kinder kümmern wird, während sie Yoga unterrichtet. Kinder lieben Rei. Er ist wie ein menschliches Klettergerüst. Da wir beide seit der Geburt von Saya auf sie aufgepasst haben, ist es für uns ganz selbstverständlich babyzusitten. Trotzdem ist es einfach süß, ihm dabei zuzusehen, wie er sich mit einem Dutzend kleiner Kinder rauft. Alle sind unter fünf. Ich bleibe ein bisschen und sehe ihm zu, bis der Unterricht vorbei ist und Rei in das Hinterzimmer verschwindet, um zu arbeiten.
Ich weiß, ich sollte mehr über das Taylor-Problem recherchieren. Aber ich drücke mich davor. Denn ich weiß, was ich finden werde … Exorzismus.
Ich habe den Film »Der Exorzist« noch nie gesehen. Aber das, was ich gehört habe, hat mir gereicht: Köpfe, die sich wild im Kreis drehen, Erbsensuppe spucken, krasse Respektlosigkeit gegenüber religiösen Artefakten. Die Aufzählung geht so weiter. Ich will gar nicht daran denken …
Also entscheide ich mich, stattdessen nach Taylor zu sehen. Ich finde meine Mum und Taylor im Shoppingcenter. Sie sehenglücklich aus. Meine Mum redet und lacht, Taylor antwortet ihr fröhlich. Ich höre immer wieder das Wort
Lavendel, Lavendel
. Ich hoffe wirklich, sie redet über die Blume oder den Duft, denn die Farbe ist mir absolut zuwider. Jede Art von Lila macht mich depressiv. Und Taylor und meine Mutter zu sehen, macht mich auch depressiv.
Ich liebe meine Mutter, und ich weiß, dass sie mich auch liebt. Aber abgesehen von unserer Größe, selleriefarbenen Augen und einer schier unersättlichen Lust auf Süßigkeiten haben wir nicht viel gemeinsam. Sie liebt es, einkaufen zu gehen, und sie mag Outlets von Designerläden, modischen Schmuck und intensives Parfüm. Ich mag Jeans, Reis alte Kapuzenpullis und geruchsneutrales Deo. Seit der siebten Klasse gab es bei mir zu Hause Diskussionen, wenn das Klassenfoto gemacht wurde. »Ich kaufe nicht noch ein Bild, auf dem du deinen alten schwarzen Pulli anhast und deine Haare unfrisiert an deinem Kopf kleben!« So hört sich der Schlachtruf meiner Mutter an. »Kannst du nicht wenigstens ein bisschen Rouge auftragen? Oder ein klein wenig Mascara?«, bettelt sie dann.
Ich respektiere, dass meine Mutter hart arbeitet, um mich und meinen Faulpelz von Vater zu unterstützen. Ich verstehe aber nicht, warum sie zulässt, dass er sich so gehen lässt. Warum erwartet sie von mir, dass ich mich ändere, aber kritisiert ihn niemals?
Meine Mum und Taylor stöckeln durch das
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