Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
wieder rein.
Das Haus riecht wie eine abgebrannte Orangenplantage, aber Yumi ist so begeistert, dass Rei Essen gemacht hat, sie kommentiert den Geruch nicht einmal. Während Rei und seine Familie essen, gehe ich nach oben und recherchiere im Internet weiter. Schließlich hat sich unsere Salbei-Idee in Rauch aufgelöst. Nicht viel später öffnet sich leise die Tür und Rei kommt herein. Ich bringe genug Energie auf, um mich sichtbar zu machen, und winke ihm zu.
»Hi«, flüstert er. »Seth ist nebenan.«
Ich weiß.
»Er wird nicht zur Polizei gehen.«
Vielleicht solltest du die Polizei rufen.
»Nein!«, ruft er. »Das muss er selbst entscheiden! Ich muss es schaffen, dass er selber hingeht.«
Ich begebe mich auf dünnes Eis, aber ich muss es jetzt einfach sagen.
Sei vorsichtig. Wenn man herausfindet, dass du ihm hilfst, bist du auch in Schwierigkeiten.
Ich traue mich nicht zu schreiben, in welchen Schwierigkeiten. Wer will schon
Beihilfe zum Mord
auf seinem Computerbildschirm stehen sehen?
»Darüber mache ich mir keine Sorgen«, sagt er finster. »Ich mache mir Sorgen um Seth.«
Nichts, was ich sagen könnte, wird Rei jetzt trösten. Seine Aura wabert um ihn wie ein dünnes, gelblich braunes Band. »Ich rede noch einmal mit ihm. Kannst du runtergehen und meine Mum im Auge behalten? Falls sie nach mir sucht, dann komm her und warne mich irgendwie. Aber pass auf, dass Seth dich nicht sieht, und versuche zu verhindern, dass meine Mum Seth entdeckt.«
Okay
.
Robert kommt um acht Uhr dreißig mit Saya nach oben, um sie ins Bett zu bringen. Auf dem Weg nach oben singen sie allerdings so laut, dass Rei von alleine aus dem Fitnessraum kommt. Kurz danach gehen Yumi und Robert ins Bett und Seth kann endlich ins Badezimmer gehen. Als Seth wieder im Fitnessraum ist, bringt Rei ihm Essen und Wasser. Er bleibt noch eine Stunde bei ihm. Sie sprechen so leise miteinander, dass nicht einmal ich sie hören kann. Als die Tür vom Fitnessraum aufgeht, ist es elf Uhr.
»Schlaf ein bisschen«, flüstert Rei Seth zu. »Wir reden am Morgen weiter.«
Als er vom Zähneputzen zurückkommt, findet er meine Nachricht auf dem Computerbildschirm.
Hast du Fortschritte gemacht?
Ich mache mich neben seinem Schreibtisch sichtbar, während er liest.
Rei schüttelt seinen Kopf. Er legt sich aufs Bett und legt eine Hand auf die Augen. »Ich muss jetzt schlafen, Anna«, flüstert er. »Ich kann nicht mal mehr geradeaus schauen vor lauter Müdigkeit.«
Im blauen Licht des Computerbildschirms sehe ich, wie sich Rei zum ersten Mal heute entspannt. Angefangen von Taylors Anruf am Morgen bis zum Auftauchen von Seth hat Rei heute keine ruhige Minute gehabt. Kein Wunder, dass er erschöpft ist. Ich konzentriere mich auf die Energie in den unendlichen Weiten des Universums und sauge davon auf, was ich nur kann. Seine Hand gleitet von seinem Gesicht und landet auf dem Kopfkissen neben seinem Kopf – er ist eingeschlafen.
Ich strecke mich und berühre leicht seine Fingerspitzen, ganz sanft, um zu sehen, ob meine Berührung ihn aufweckt. Als er sich nicht bewegt, lasse ich meine Finger an seinen herabgleiten und gebe ihm etwas von meiner Energie. Jede noch so kleine Berührung ist viel intensiver, wenn ich außerhalb meines Körpers bin, und seine Haut fühlt sich unendlich zart an. Ich versuche das zu ignorieren, denn schließlich mache ich das hier für Rei und nicht für mich. Ich fahre jeden einzelnen seiner Finger entlang. Seine müden Farben verwandeln sich in Indigoblau. Ich gleite seine Arme entlang, bis ich seine Schultern erreiche, und lasse meine Finger über sein Schlüsselbein, seinen Adamsapfel und schließlich sein stoppeliges Kinn entlangschweben. Über seinen Kopf mache ich mir heute wenigerSorgen. Ich nehme mir Zeit, bis der Energiestrahl die Mitte seiner Brust erreicht.
Yumi kann ganze Bände an Informationen über Reiki zitieren und weiß ganz genau, wie das mit den Chakren funktioniert. Ich habe davon keinen blassen Schimmer. Alles, was ich im Moment genau weiß, ist, wo Rei mich jetzt am meisten braucht. Ich bewege meine Hände hin und her, bis sich ein kleiner Strudel aus Energie um Rei bildet. Langsam nimmt er die Energie auf, und ich bin froh, als ich sehe, wie sich ein blauer Schleier um ihn ausbreitet.
Ich kann die Federdecke nicht anheben und ihn zudecken, sie ist viel zu schwer. Aber es fühlt sich gut an zu wissen, dass mein bester Freund mit einer klaren Aura schläft. Ich weiß, dass ich versprochen habe, nicht
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